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Moerder Im Gespensterwald

Moerder Im Gespensterwald

Titel: Moerder Im Gespensterwald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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rechts zur Mole ab, und als sie es ihm gleichtat, sah sie das Ziel der Kollegen. Der Zugang zur Mole wurde von zwei Dutzend junger Aktivisten blockiert, die zwei Spruchbänder in die Höhe hielten. Beide trugen das Logo der Anti-Atom-Bewegung mit der lachenden roten Sonne und enthielten Forderungen: Keine illegalen Atomtransporte aus Schweden! und Stoppt die Atomtransporte über den Rostocker Hafen! Das zweite Transparent zeigte auch stilisierte Hände, die einen ebensolchen Baum schützten, und Versalien nannten den Namen der Organisation, die sich mit diesem Zeichen schmückte: WOOD WATCHERS .
    Immer noch waren Sirenen zu hören, und jetzt schob sich auch ein Mannschaftswagen durch die Zuschauermenge. Zwei junge Frauen, Mädchen noch, verteilten Flugblätter und Buttons, und es gab Leute im Publikum, die sie sich ansteckten. Dann hatte ein Langhaariger mit Nickelbrille seinen Auftritt. Er sprach durch ein Megaphon: »Bürger von Rostock, wieder einmal werden wir von der Politik verraten und verkauft. Brennstäbe aus der schwedischen Nuklearfabrik Västerås werden klammheimlich über den Rostocker Überseehafen transportiert – und das seit Jahren! Wird die Bevölkerung informiert? Nein. Wissen die Hafenarbeiter davon? Nein. Und warum sollte man es ihnen auch sagen? Es sind doch bloß Brennstäbe – für Atomkraftwerke in ganz Europa. Wir fordern daher …« Weiter kam er nicht, weil drei Vollzugsbeamte mit schusssicheren Westen ihm das Megaphon entrissen. Er wehrte sich, aber keine 30 Sekunden später lag er schon auf dem Boden. Die Mitdemonstranten johlten, auch aus dem Publikum kamen Unmutsbekundungen und Pfiffe. Barbara schaute sich nach dem Einsatzführer um, glaubte ihn in einem schon älteren Hauptkommissar zu erkennen, der mit dem Handy telefonierte, und ging zu ihm. »Wählt die Atomlobbyisten ab!«, brüllte jemand, der kein Megaphon brauchte.
    Der Langhaarige wurde zum Mannschaftswagen gebracht, Barbara wies sich gegenüber dem Einsatzführer aus. Das Einschreiten seiner Beamten erklärte er damit, dass die Demo nicht genehmigt und man laut Versammlungsrecht daher befugt war, sie aufzulösen.
    Eines Polizeieinsatzes hätte es dazu allerdings gar nicht bedurft, der Platzregen, der jetzt das Nieseln ablöste, hätte vollauf genügt. Er trieb alle zuerst unter ihre Kapuzen und Schirme und dann vom Platz. Über der Ostsee jagten sich die Blitze, ein orkanartiger Wind hob an und setzte dem Meer Schaumkronen auf. Badegäste flohen vom Strand, Barbara flüchtete in den Mannschaftswagen. Dort hockte sie eingequetscht zwischen nassen Polizisten und ließ sich die Liste geben, auf der man die Personalien einiger Demonstranten notiert hatte.
    Sie war nicht überrascht, dass es sich bei dem Langhaarigen um Dominic Brauer handelte und dass sich auch der Stralsunder Piet Henke auf der Liste fand, jener junge Mensch, der nicht nur eine Regionalorganisation von Wood Watchers aufgebaut hatte, sondern auch an den Farbbeutelanschlägen auf das Haus des Ingenieurs Gundersen beteiligt gewesen war. Die weiteren Namen waren Barbara unbekannt.
    »Manche von den Typen haben wir schon vom Alten Markt getragen«, sagte einer der Uniformierten.
    »Wann?«
    »Letzte Woche. Die haben da ein Sit-in veranstaltet, sogar mit Kindern. Ebenfalls illegal. Die Markthändler hatten sich beschwert.«
    »Klar, die wollen ihr verstrahltes Gemüse loswerden«, meinte eine Beamtin grinsend.
    »Ich finde diese Transporte verantwortungslos«, meldete sich ein Polizist zu Wort, der mit seiner weichen Haut und dem Bartflaum wie ein Jugendlicher aussah. Barbara nickte, obwohl sie keine Meinung zur Kernenergie hatte. Sie fragte nicht, woher der Strom in ihren Steckdosen stammte, und allein die ständig steigenden Preise regten sie auf.
    Schließlich tippte sie auf die Liste. »Wer von denen war bei dem Sit-in dabei?«
    »Der Typ, der heute die Rede gehalten hat.«
    »So, so.« Barbara äugte aus dem Fenster. Auf der Straße stand das Wasser knöcheltief, und noch immer fielen Sturzbäche vom Himmel. An der Schiebetür erschien der Einsatzleiter, den Kopf zwischen die Schultern gezogen. Er wandte sich an Barbara: »Wir ziehen ab. Sollen wir Sie mitnehmen?«
    »Wohin bringen Sie die Festgenommenen?«
    »In den Zentralgewahrsam. Wir schimpfen ein bisschen mit ihnen, geben ihnen ein paar Paragrafen aus dem Versammlungsgesetz zu lesen und setzen sie wieder auf die Straße.«
    »Übergeben Sie Brauer und Henke an die Soko Gespensterwald !«
    »Wie jetzt?«

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