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Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
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weitere Durchsuchung zu ersparen, wiederhole ich meine Frage: Sind Drogen im Haus?«
    »Hören Sie, ich …«
    »Ja oder nein? Ehrliche Antwort oder mehrere Stunden Arbeit für Sie … und die Putzfrau.«
    Sie schniefte: »Ein bisschen Kokain.«
    »Für wen?«
    »Na, für mich.« Dann bekam sie einen Weinkrampf. Barbara war selig und rief die Güstrower Kollegen an.
    Die Szenebriefchen klebten hinter Penelopes Leinwand, was Barbara besonders gut gefiel. Ein Polizeiobermeister fotografierte, während Uplegger die in Alufolie gehüllten Päckchen sicherte und auf den Tisch legte, wo Barbara sie mit spitzen Fingern öffnete. Auch das nahm der POM natürlich auf, während sein Kollege, ein Kommissar, Frau Rauch zu trösten versuchte, die heulte wie ein Schlosshund. Immer wieder kam der verstörte Knabe in den Salon, immer wieder wurde er hinausgeschickt. Die Adoptivmutter war vollkommen überfordert: Tamir war für sie ein an-, aus- und aufziehbares Spielzeug, dessen Mechanismus im Moment nicht so reibungslos funktionierte wie gewohnt. Ohne das Kindermädchen, das seinen freien Nachmittag hatte, war sie dem Leben nicht gewachsen. Womöglich auch nicht ohne Koks.
    Am Ende lagen vier oder fünf Gramm auf dem Tisch, eine Menge, die für eine Festnahme, aber wohl kaum für einen Haftbefehl reichte. Kein Richter schickte gern eine Mutter in den Knast, die den Kokainschatz ihres Mannes hütete und ab und zu davon naschte. Anders würde es aussehen, wenn man vier oder fünf Kilos fände. Vielleicht gab es irgendwo im Haus noch ein Depot. Drei Uniformierte suchten danach.
    Barbara verließ ihren Platz und streckte den Rücken, den sie nach längerem Sitzen manchmal spürte. Sie legte eine Hand auf die Schulter der weinenden Prinzessin, die aber sofort zurückfuhr, als hätte sie etwas Ekliges berührt. Barbara nahm es gleichmütig zur Kenntnis und nickte zu dem Gemälde.
    »Was stellt das Bild eigentlich dar?«
    »Chiron unterweist Apoll im Spiel der Lyra.«
    »Sieht aber aus, als wolle der Pferdemensch Apoll noch etwas anderes zeigen.«
    »Na ja, Penelope Pastor hat es mit der Psychoanalyse. Alles, was sie malt, hat irgendwie mit Sex zu tun.«
    »Sie hat auch Sex mit Ihrem Mann«, sagte Barbara brutal.
    »Dieses Flittchen!«, stieß Frau Rauch hervor. »Wenn sie wenigstens etwas könnte!«
     
    Als Barbara und Uplegger das Vestibül durchquerten, sahen sie Tamir auf der breiten Treppe ins Obergeschoss sitzen, mit schokoladenverschmiertem Mund und neben sich eine große Packung Grabower Negerküsse, die man so nicht mehr nennen durfte, wollte man nicht als Ewiggestriger dastehen. Barbara grinste, Uplegger machte die Daumen-hoch-Geste. Der Junge langte in die Packung und stopfte sich den nächsten Schaumkuss in den Mund.
    »Dass Sie unsere Heimat verteidigt haben, hat mir gefallen«, sagte sie, während sie das Haus verließen. »Ich kann dieses Gerede, die Kultur in Mecklenburg sei hinterwäldlerisch, nicht mehr hören. Vor allem nicht von einer Tussi, die aus der bayrischen Provinzresidenz kommt.«
    »Ich sage immer, Provinz hat etwas mit Herz und Hirn zu tun und nichts mit dem Ort, an dem man lebt. Auf dem Dorf können weltoffene Menschen wohnen und in einer Millionenstadt engstirnige und mediokre Typen. Absolut betrachtet, dürfte die Zahl der Spießer in Berlin weit höher sein als in Rostock.«
    »Und in München erst mal. Dort leben keine Menschen, sondern Bayern.« Barbara zog ihr Handy aus der Manteltasche. Sie hatte es stumm gestellt und schaute nach Anrufen. Uplegger, ganz Weltbürger, hielt ihr das Gartentor auf.
    AnnKaH hatte eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Barbara hörte sie ab, Uplegger öffnete für sie die Beifahrertür. Seine Charmeoffensive machte sie misstrauisch, aber es gab Wichtigeres, als ihn darauf anzusprechen.
    »Auf dem Weg nach Rostock sollten wir einen Zwischenstopp einlegen«, sagte Barbara beim Einsteigen. »Und nicht, wie Sie jetzt sicher denken, an einer Tankstelle. Mortens erster Anruf ging an Rauch. Empfangen in Schwaan oder Umgebung. Rauch muss vor Schreck in Penelope steckengeblieben sein.«
    »Na, na!«
    »Sorry. Überraschen wir sie mit einem spontanen Besuch? Ich hab ja mit ihr sowieso ein etruskisches Hühnchen zu rupfen.«
    »Ich kann nicht behaupten, dass ich mich darauf freue.«
    »Aber ich. Avanti, popolo!«
    Für die Fahrt nach Schwaan benötigten sie kein GPS. Barbara wies den Weg. Die Weihnachtskonifere auf dem Güstrower Markt erhielt gerade ihre Lichterkette; Kinder

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