Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder im Zug

Mörder im Zug

Titel: Mörder im Zug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Goyke
Vom Netzwerk:
wollte gerade zum Wagen zurückkehren, als sie auf dem Vorplatz den Kiosk aus roten Ziegeln erblickte. Ein paar Männer standen unter dem vorkragenden Dach und labten sich an Flaschenbier, was bei ihr unwillkürlich einen Pawlowschen Reflex auslöste.
    Zwei mit Fettkreide beschriebene Tafeln offerierten ein kalorienreiches vitaminreduziertes Essen, und da ihr der Sinn nicht nach Bock- oder Bratwurst, nicht nach Hamburger, Bratklops, Pommes oder Hotdogs stand, begnügte sie sich mit einem Glühwein, der nach Tetrapack schmeckte. Angelegentlich betrachtete sie die ausgelegten Zeitungen, aber weder die Ostsee-Zeitung noch die Schweriner Volkszeitung noch das Blatt mit den Schlagzeilen für Seh- und Geistesschwache berichteten über den Mord, weil sich dieser nach Redaktionsschluss ereignet hatte. Dennoch kam sie beim Blättern auf eine gute Idee. Wenn jemand etwas Hintergründiges über Simon Rauch wusste, dann ein ortskundiger Journalist.
    Barbara wärmte sich die Finger am Becher und lauschte. Die Männer wussten schon Bescheid, spekulierten über die Täter, tippten auf gewaltbereite Jugendliche. Barbara musste an Upleggers Sohn denken, der so gar nicht in dieses Bild vom Nationalfeind Nummer eins passte. Mit einem Schulterzucken ging sie zu ihrem Wagen, als sich ihr Handy mit den ersten Takten von Lady Greensleeves meldete. Auf dem Display erschien das Kürzel Uplg , und sie nahm das Gespräch an.
    »Ick seh di«, sagte ihr Kollege.
    Barbara schaute sich um, aber da war kein Uplegger.
    »Wie ist das möglich?«
    »Vom Jobcenter aus. Ich bin im dritten Stock.«
    Barbara richtete ihren Blick auf den Neubau an der Ecke Speicher- und Eisenbahnstraße, und tatsächlich, hinter einem Fenster winkte er ihr zu.
    »Also, was gibt es?«, wollte sie wissen.
    »Sandy Ball ist verschwunden.«
    »Wie, verschwunden?«
    »Sie ist heute nicht zur Arbeit erschienen und hat sich auch nicht abgemeldet.«
    Barbara betätigte die Fernverriegelung. »Das ist ja seltsam.«
    »Finde ich auch. Sie hatte heute Morgen im Zug übrigens ihr Kind dabei.«
    »Sie ist mit ihrem Kind verschwunden? Das gefällt mir nicht. Ganz und gar nicht.« Barbara öffnete die Fahrertür. »Lassen Sie ihr Handy orten. Das geht doch auch, wenn es ausgeschaltet ist.«
    »Ist aber ein ganz schöner Aufwand …«
    »Für eine Mutter mit Kind?« Barbara stieg ein. Sie hatte sich den größten Mercedes aus dem Fuhrpark der Mordkommission ausgesucht, und trotzdem senkte er sich ein paar Zentimeter. Leider hatte er keinen Laptop an Bord. »Die sollen sich reinhängen. Sagen Sie etwas von Gefahr im Verzuge. Soll ich zu Ihnen kommen?«
    »Da Sie schon im Auto sitzen … Nein, ist nicht nötig. Ich leite das Erforderliche in die Wege.«
    »Prima. Können Sie mir einen Gefallen tun? Fragen Sie doch mal nach einer Lokalredaktion in Güstrow, und dann bemühen Sie ihr wunderbares GPS, um mir den Weg zu weisen.«
    »Die OZ ?«
    »Irgendeine. Notfalls auch eines dieser Käseblätter, die man kostenlos in den Briefkasten gestopft bekommt.«
    »Moment.« Barbara hörte einen Wortwechsel im Hintergrund, dann war Uplegger wieder dran: »Der Mecklenburger Bote hat ein Büro. Domstraße 9, also mitten in der Altstadt.«
    »Und wie komme ich da hin?«
    »Am besten zu Fuß.«
    »Zu Fuß? Ich?« Barbara konnte nur mit dem Kopf schütteln.
    Für Upleggers detaillierte Wegbeschreibung bedankte sie sich mit den Worten, nun fände auch ein Kind mit Teilleistungsstörungen das Ziel und startete den Motor. Während der kurzen Fahrt kreisten ihre Gedanken um das Verschwinden der jungen Frau. Vielleicht gab es dafür eine einfache Erklärung. Vielleicht hatte ihre Kollegin bloß vergessen, dass Sandy einen wichtigen Termin hatte. Es war absurd anzunehmen, der Zugmörder würde nun der Reihe nach alle Zeugen auslöschen, schließlich lebte man in Mecklenburg und nicht in Neapel.
    Nach dem Überqueren des Flüsschens Nebel entdeckte sie rechter Hand ein Ristorante Pavarotti , das womöglich von Vietnamesen betrieben wurde – so wie die meisten Dönerbuden Rostocks. Oder von Letten, Russen, Kroaten, Albanern. Vielleicht sogar von Italienern. Barbara fand eine Parklücke auf dem Domplatz und rangierte den Mercedes in einem Zug hinein. Sofort fiel ihr ein weiß gestrichenes Haus mit runden Gucklöchern unter der Traufe auf, dessen Erdgeschoss das Eiscafé und Ristorante Villa Italia beherbergte: Italien gab es auch in Güstrow an jeder Ecke.
    In der Lokalredaktion des Boten empfing sie eine Frau,

Weitere Kostenlose Bücher