Mörder Quote
wie zwölf Jahre alt. »Der Mann ist tot«, stammelte er fassungslos.
WOCHE 3:
AND I AM TELLING YOU, I’M NOT GOING!
Musicals
E-Mails an die Produktion nach der Sendung, Auszüge:
KAPITEL 9
Am nächsten Morgen hatte sich Tanya wie jeden Sonntag eine Extraportion Ausschlafen verordnet. Sie streckte und rekelte sich in ihrem überteuerten Designerbett im Country-Stil und spielte ein bisschen Sue Ellen in Dallas, wenn auch ohne den Schnaps und den dämonischen Ehemann. Der Sonntag war ihr heilig, und niemand, außer ihrer Mutter und ein paar engen Freunden, durfte sie am Sonntag stören. Um sich herum hatte sie die Zeitungen und ein paar Magazine gelagert, dazu das Tablett mit dem »kalorienreicheren« Ausnahme-Frühstück – Toast mit echter Butter, Marmelade und Rührei. Wie immer genoss sie diesen allwöchentlichen Moment, in dem eine Show abgedreht war und die nächste Probenwoche noch nicht angebrochen war: ein Atemholen im Wahnsinn, ein ungeschminkter Tag im Schlabberlook – ganz ohne ehrgeizige junge Menschen und zynische alte Brocken.
Nur in diesem Zustand konnte sie auch die Art von »Presserezensionen« der letzten Show ertragen, die die Boulevardblätter regelmäßig am Sonntag veröffentlichen, um ihren Lesern zwischen Kaffee und Brötchen die Monster der Monstershow vorzuführen und die Handlungsfäden aufzugreifen, die Peter de Bruyn so gekonnt über die Woche gesponnen hatte. Diesmal war Mike D, beziehungsweise Michael Dieterle dran. Sein Vorstrafenregister hatte durch de Bruyns Formulierungskunst aus dem Stuttgarter Reihenhaussprössling eine Art Vorstadtrambo gezaubert. Die Schlagzeilen überschlugen sich in so kreativen Wortschöpfungen wie »Rapper-Rüpel« oder »Casting-Krimineller«. Die auflagenstärkste Hauptwaffe der deutschen Horrorpresseshow, die, wie Tanya wusste, alle Infos immer direkt vorab von Peter bekam, hatte sich sogar zu einem hochmoralischen »Darf dieser Verbrecher noch singen?« aufgeschwungen, eine Formulierung, die genau nach Peter klang und sicher auch von ihm kam. Da er wusste, dass Mike in der folgenden Woche, die unter dem Motto »Musical« stand, den gruseligen Riff Raff aus der »Rocky Horror Show« singen würde, hatte er das Monster schon mal gut angelegt.
Was Tanya heute aber viel mehr interessierte, war die Frage, ob irgendein Presseorgan den Tod des Fotografen erwähnen würde. Normalerweise war die Verbindung von menschlicher Tragödie und der Popshow Gold für beide Seiten, aber irgendwie hatte Peter es wirklich geschafft, den Tod des Paparazzo aus den bunten Blättern herauszuhalten. Sogar im Internet fand sie nichts dazu. Entweder war der Mann wirklich zu unwichtig gewesen oder vielleicht der Herzinfarkt bei ihm absehbar und von seinem Umfeld schon erwartet. Aber der zweite Herzinfarkt im Umfeld der Show in zwei Wochen? Tanya knabberte an ihrem dritten Toast und überlegte. Gut, der Studioarzt hatte die Todesart bestätigt, und das hochrote Gesicht des Mannes, das sie von vielen Presseterminen gekannt hatte, wies auf die branchenübliche ungesunde Mischung von Bluthochdruck plus Alkohol hin. Und nach viel Sport hatte der Körper auch nicht ausgesehen. Aber irgendwie ging Tanya der Gesichtsausdruck des Mannes im Herabsinken nicht aus dem Kopf: diese absolute Überraschung. Tanya war überzeugt, dass er mit so einem Schicksalsschlag niemals gerechnet hatte.
Noch einmal führte sie sich die Situation genau vor Augen: das Gedränge nach der Show beim Fototermin, das Geschiebe, das Geschrei, die Kandidaten, die posten, sie in der Mitte und die Menschen hinter dem brüllenden Fotografen – Peter, Marco, Pitterchen, Angehörige, Fans und Freunde – und Nils Lehmann.
Damit war sie bei ihrem zweiten morgendlichen Problem: Dieser mysteriöse Junge tauchte einfach zu oft auf! Aber wozu gab es das Internet! Plötzlich sehr wach, stürzte sie sich in eine kleine Webrecherche. Was wusste sie? Nils Lehmann, Fitnesstrainer und jetzt Lichtdouble … nach einer halben Stunde war sie bei Facebook fündig geworden. Er hatte sich tatsächlich unter seinem echten Namen angemeldet, was ja erst mal sympathisch war und auf eine ehrliche Haut hinwies. Trotzdem war seine Seite seltsam unbelebt. Kaum Freunde oder das, was Facebook darunter verstand, wenig Kommentare oder Fotos. Die Seite schien hauptsächlich dazu da zu sein, für seine Leistung als Personal Trainer zu werben. Dafür hatte er allerdings ein paar sehr attraktive Aufnahmen von sich bei der Arbeit ins Netz
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