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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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und tat, sondern auch darüber, wie genau der PR -Chef Bescheid wusste, was wer wie und wann privat dachte und tat. So wie es aussah, stimmte es wirklich, was sich als Gerücht in der Kandidatentruppe hielt, nämlich, dass de Bruyn einen »Giftschrank« in seinem Büro hatte, in dem über jeden deftige Details lagerten. Wahrscheinlich auch über Sascha selber …
    »Uwe, du machst Pause. Alle anderen zurück in die Aufstellung!« Der Choreograf übernahm wieder das Kommando. Fatima ging triumphierend auf ihren Platz, die anderen taten es ihr nach. Nur Mike lief vorher noch zu Uwe, der in der Ecke sein Zeug zusammenräumte, und klopfte ihm tröstend auf die Schultern. »O Gott, und jetzt auch noch der rappende Sympathisant!«
    Sascha stellte sich samt Boa nach vorne, innerlich plötzlich sehr müde. Er warf einen Blick über die Truppe – ein Käfig voller Narren plus zwei Nazis. Wie Berlin in den Zwanzigern, dachte er. Please let’s NOT do the time warp again!
    Das »Fuko« war Tanyas Lieblingsjapaner – ein kleines unaufgeregtes Restaurant mitten in der Stadt, in dem man sehr angenehm und ungestört eine hervorragende Misosuppe essen und einen guten Lapsang-Tee trinken konnte. Hierhin zog sich Tanya öfter alleine am frühen Abend zurück – das Essen direkt sitzend am Sushitresen ging gut solo, man war satt vor zwanzig Uhr (wichtig für ihren Ernährungsplan!), und nach einem Foto mit den stoisch freundlichen Inhabern für die Promi-Wand war sie in dem Lokal nie mehr belästigt worden.
    Außer heute.
    Tanya fiel fast ihr Handy in die Suppe, als sie Nils Lehmanns Lockenkopf durch die Tür kommen sah.
    Jetzt reicht’s mir aber, dachte Tanya. Sie hatte es satt, über dieses neue braunäugige Murmeltier in ihrem Leben nachzudenken, das sie nun anscheinend täglich grüßte. Sie drückte die Wirbelsäule durch, stand auf und ging direkt auf ihn zu. »Sagen Sie mal, warum sind Sie eigentlich auf einmal überall, wo ich bin?« Ihre Stimme klang etwas zu laut durch das ruhige Lokal. »Erst im Publikum, dann im Fitnessklub, dann in der Produktion und jetzt hier? Sind Sie so ein kleiner mieser Stalker, der tagsüber immer an einem klebt und nachts meinen Müll durchsucht? Sie wissen, dass es Gerichtsurteile gibt, die Sie auf Abstand halten können! Ich hab da alle Möglichkeiten …«
    »Hier bitte – einmal Misosuppe und California Rolls – wie immer, Herr Lehmann!« Die sanfte freundliche Stimme der Kellnerin stoppte Tanyas Ausbruch. Sie hielt Nils ein mit grüner Folie eingewickeltes Paket hin, wobei sie Tanya mit einem äußerst skeptischen Seitenblick bedachte.
    »Nein, bin ich nicht. Ich hole nur mein bestelltes Sushi ab …«, antwortete Nils genauso sanft wie die Bedienung und ließ Tanya inmitten all der goldenen Buddhas über der Kasse wirken wie die Popgruppe Scooter in einer Mitternachtsmesse. »Ich wohne gleich nebenan.«
    Tanya schämte sich. Sie schämte sich sogar sehr. Und das kam selten vor.
    Verdammt, was war nur in sie gefahren? Sie hatte den armen Kerl vor dem gesamten Lokal zur Sau gemacht, ohne dass er etwas dafür konnte.
    »Ich sage Ihnen, was wir machen. Ich geben Ihnen jetzt einen grünen Tee aus und wir reden!« Wenn man in einem Konflikt offensichtlich im Unrecht ist, musste man Reparationszahlungen leisten, das hatte Tanya in historischen TV -Dokus gelernt. Ein nobler Rückzug konnte jede Blamage ausgleichen, und so ging sie aufrecht wie das Model, das sie war, an ihren Platz zurück und rang sich sogar noch eine huldvolle Handbewegung ab. »Bitte, Herr Lehmann, setzen Sie sich …« Was hätte sie in diesem Moment für eine riesige schwarze Sonnenbrille gegeben, die ihre peinlich berührten Augen verdeckt hätte!
    »Herr Lehmann?« Nils grinste, als er sich ihr gegenübersetzte. »Ich komme weder aus dem 80er Jahre Kreuzberg, noch bin ich dreiundsechzig. Ich heiße Nils.«
    Tanya entspannte sich etwas. »Also, Nils – wir müssen mal reden! Wer oder was bist du?«
    Zehn Minuten später war viel geredet worden und ausnahmsweise nicht von Tanya. Das stille braune Reh war in null Komma nichts zum fröhlich trötenden Wasserbüffel geworden, was hieß, dass der junge Mann lossprudelte, als wäre Tanya eine Mischung aus Therapeutin und Marktforschung. Er begann bei seiner Kindheit in einem fröhlich-unorthodoxen Hippie-Haushalt in der Kleinstadt und ging flott über Pubertät und erste Liebe (zu der umschwärmten Klassenschönheit Julia) zu seinem abgebrochenen Sportstudium, seinen Jobs als

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