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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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das Problem bist du! Du traust niemandem! Und genau darüber wollte ich nachdenken, und genau deshalb bin ich auf die Hütte gefahren, um mal Luft in meinen Kopf zu bekommen. Immer geht es hier um dich, deine Ängste, deine Bedingungen! Nur um dich! Und das läuft so nicht!«
    Bevor Tanya noch etwas sagen konnte, war Nils aus der Garderobe gestürmt und hatte die Tür hinter sich zugeknallt. Tanya atmete durch, ging zur Tür und schloss sie instinktiv ab. Dann ließ sie sich ins Sofa fallen und brach in Tränen aus. Was machte Nils nur mit ihr? Und was machte sie mit ihm?
    Es war nicht nur kompliziert. Es war vermutlich einfach unmöglich.

KAPITEL 26
    Am nächsten Morgen beschäftigte sich Tanya zu Hause mit ihrer Fanpost. Oft beruhigte sie das. Sie hatte sehr schlecht geschlafen. Der Streit mit Nils, Saschas Briefe und Peters Fotos hatten sich in ihren Träumen zu einer unheilvollen Melange vermengt, und trotz Frühjogging war ihr Kopf selbst am Showtag immer noch nicht fit. Deshalb bearbeitete sie jetzt nur die nette Post – die hässlichen Briefe mit Fotos von nackten Männern beim Liegestütz hatte die Produktion sowieso schon ausgesondert, bevor der Rest zu ihr kam.
    Im Gegensatz zu vielen anderen Prominenten freute Tanya sich nach all diesen Jahren immer noch über Fanpost, besonders über all die bunten und beklebten Mädchenbriefe, die – neben notgeilen alten Säcken – ihre Hauptzielgruppe bildeten. Und komischerweise hatte sich trotz Internetpornos und Gewaltvideospielen der Look von Mädchenbriefen an ihre weiblichen Lieblingsstars wenig geändert: Es wurden immer noch Schmetterlinge aufgeklebt, Blumen gemalt und Gedichte gereimt. Gut – ab und zu war sie jetzt natürlich die beste Freundin von Lillyfee, aber insgesamt herrschte in diesen Briefen immer noch mehr Unschuld, als die deutsche Presse jeden Tag in ihren Schilderungen betrunkener und ordinärer Teenies vermuten ließ. Deshalb mochte Tanya die Bearbeitung ihrer Fanpost – es war wie ein Ausflug in ihre eigene Kindheit. Bevor die mit ihrem ersten Modelshooting im zarten Alter von 13 Jahren schlagartig zu Ende gegangen war.
    Amüsant fand sie immer die beigelegten Fotos, auf denen sie selber mit ihren »Mädels« abgebildet war. Schnappschüsse von irgendeinem Bahnhof oder Flughafen (andere Kontaktpunkte mit dem realen Leben gab es schon fast nicht mehr), auf denen sie immer in der Mitte stand, immer mit dem gleichen Gesichtsausdruck (»Du hast nur ein Fotogesicht. Wechsel doch öfter mal!«, hatte Peter ihr immer wieder zugeraunzt). Daneben standen die strahlenden und aufgeregten Fans mit erwartungsvollen Gesichtern.
    Das ist das, was einen Star ausmacht, dachte Tanya, während sie ihre Unterschrift mit dem niedlichen Y-Unterschwung versah. Er bleibt, nur die Umgebung wechselt. Sie zog einen besonders großen Abzug aus einem DIN -A3-Umschlag, ein Gruppenfoto mit sechs Mädels in pinker H&M-Einheitsuniform. Hier strahlte Tanya nicht wie immer. Im Gegenteil, ihr Gesicht wirkte genervt, fast unfreundlich. Wo war das gewesen? Bei welcher Gelegenheit hatte ihre Professionalität so gewackelt? Sie studierte die Umgebung. Das konnte überall gewesen sein, Shops, Lichter … doch dann fiel es ihr ein: Es war ein Foto aus dem Einkaufscenter neben dem Studio, an dem Tag, als sie Mephisto zum ersten Mal verfolgt hatte! Es war sogar genau die Gruppe gewesen, die sie gestoppt hatte und durch die sie den Anschluss an den Maskenmann verloren hatte. Deshalb schaute sie so unfreundlich. Aber sie war nicht die Einzige. Hinter dem Kopf des kleinsten H&M-Girlies, vier Stufen höher auf der Rolltreppe, ragte noch ein Gesicht hervor, das nicht nur unfreundlich war, sondern fast hassverzerrt. Ein aufgequollenes Gesicht, stark geschminkt, starrte auf dem Foto voller Wut in Tanyas Richtung, wie eine Gedankenblase im Comic, die einen Alptraum darstellen soll.
    Und auch dieses Gesicht kannte Tanya. Sie kramte ganz schnell ihre heimliche Lesebrille aus der Tasche und legte sie zur Vergrößerung auf das Foto. Ein buntes Monster, das drauf und dran schien, Tanya von hinten anzuspucken. Die Tigerschleife im blondierten Haar wäre gar nicht mehr nötig gewesen, um sie endgültig zu identifizieren. Wenn sich Tanya damals umgedreht hätte, hätte sie direkt in die unverhohlene Fratze von Lillys Mutter gestarrt.
    Wie im Zeitraffer rasten in Tanyas Kopf Bilder und Gesprächsfetzen vorbei. Wie die strampelnde Mutter, tobend und Beleidigungen schreiend aus dem Probenraum

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