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Mörder Quote

Mörder Quote

Titel: Mörder Quote Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Hermanns
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»Nur vom Studio ins Hotel und zurück!« Er drückte Tanyas Hand und wirkte in diesem Moment noch jünger, als er eigentlich war.
    Komisch, dachte Tanya, diese übertriebenen Reaktionen in der Sendung, das ganze Geheule und Umarmen und Zusammenbrechen – das passt nie in den realen Alltag. Es sind Theatergesten aus uralten Melodramen. Im echten Leben fällt der Junge mir jetzt nicht um den Hals, obwohl ich ihm vielleicht gerade helfe, sein Leben zu retten. In der Show, nach ein paar netten Worten von mir über einen Song von ihm, würde er in Tränen ausbrechen und auf die Knie fallen. Verkehrte Welt. Oder … – und hier hatte sie wieder einen jener kurzen Gedanken, die ihr manchmal selber Angst machten – der Sieg in der Show ist für ihn wichtiger und emotionaler als eine reale Morddrohung.
    Sie sah in Saschas klare blaue Augen und konnte darin nichts erkennen außer Dankbarkeit und großer Erleichterung. Wenn das gespielt war, war der Junge richtig gut. Aber als er die Tür hinter sich zuzog, hoffte sie sehr, dass er das dieses eine Mal nicht war.
    Als es fünf Minuten später wieder klopfte, dachte sie, dass Sascha etwas vergessen hatte, und öffnete schnell die Tür. Doch im Türrahmen lehnte der verschwundene Nils.
    »Wo hast du gesteckt? Ich versuche dich seit einer Woche zu erreichen und werde fast wahnsinnig! Warum kannst du nicht an das verdammte Handy gehen?« Tanya war auf einmal wirklich sauer. »So lasse ich mich nicht behandeln. So geht man nicht um mit …«
    »Mit einer Tanya Beck?«, vervollständigte Nils ihren Satz. »Darf ich erst mal reinkommen?«
    »Bitte sehr.« Tanya ging, wütend über ihn und wütend über sich, zu ihrem Garderobentisch und begann hektisch ihre Kajalstifte zu ordnen. Nils setzte sich auf das Sofa. »Ich war weg«, sagte er ruhig und wartete ab, bis Tanya alle zehn Stifte nach Länge sortiert hatte.
    »Das hab ich gemerkt«, gab sie zurück und versuchte wieder Fassung zu gewinnen. Und gab es schließlich auf: »Weißt du überhaupt, was hier los ist?« Sie drehte sich zu ihm um und funkelte ihn an. »Hier läuft irgendwo ein Mörder rum, und ich bin dauernd bei der Polizei, und gleichzeitig probe ich für die Sendung und kümmere mich um Sascha – und du bist einfach weg? Wo verdammt noch mal warst du?«
    »Bei einem Freund in den Alpen.« Nils senkte den Kopf. »Er hat eine Hütte und hat mich eingeladen. Dort gibt es kein Netz, deshalb konntest du mich nicht erreichen.«
    »Ach? Und warum verschwindest du einfach so?« Tanya hatte das Gefühl, sie redete mit einem Achtjährigen. »Warum gibst du mir nicht Bescheid? Und …« Sie wollte es eigentlich nicht, aber es brach aus ihr heraus: »Und warum ist unsere Beziehung KOMPLIZIERT ?«
    Nils stand auf, lief zum Fenster und ging dort auf und ab. Er hatte seine Hände in der Jeans vergraben und sah immer noch wie ein Teenager aus. »Weil es eben echt kompliziert ist!«, brach er endlich die Stille. »Weil ich nicht weiß, was du von mir willst! Erst küsst du mich, dann läufst du weg, dann sind wir endlich zusammen, und dann lässt du mich einfach vor diesem Weinlokal stehen und düst davon.«
    Tanya fiel der Abschied vor dem Lokal ein, er war zwar knapp gewesen, aber doch nicht unfreundlich. Sie wollte damals einfach nur nach Hause und alleine sein.
    »Du kannst mich nicht bestellen und abbestellen, wie du es brauchst.« Jetzt wurde Nils deutlich lauter. »Ich bin nicht dein Spielzeug, Tanya! Ich will mit dir zusammen sein, aber dazu musst du mich reinlassen!«
    »Ich lasse dich nicht rein? Du verschweigst mir doch alles! Zum Beispiel, dass du Chantal noch als Charlie in der Schule kanntest! So kann ich dir doch nicht trauen!«
    »Deshalb kannst du mir nicht trauen?«, schrie Nils. »Weil ich dir nicht alle meine Mitschüler in meiner Jahrgangsstufe aufzähle? Das gibt’s doch nicht!« Er ballte die Fäuste. »Ich leg dir hier mein Herz zu Füßen, und du willst wissen, wer mit mir auf der Schule war?«
    Tanya konnte nicht mehr zurück. »Und ich hab mich auf deiner Facebook-Seite umgesehen, Nils – über 500 Fotos von mir! Du hast so was wie einen Altar für mich da eingerichtet! Das ist doch krank!«
    »Das ist krank?« Nils schien in sich zusammenzusacken. Seine Stimme wurde leise und todtraurig. »Das findest du krank? Ich hab dir gesagt, dass du schon immer meine Traumfrau warst, und das wirfst du mir jetzt vor? Fotos im Internet?« Er packte sie am Unterarm. »Mein Gott, Tanya, das Problem hier bin nicht ich,

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