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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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unfeierliche oder vernichtende Lyrik an. Was, meinst du, geschieht, wenn der Aufsichtsratsvorsitzende sich erhebt und in bissigen, gereimten Versen seinen Kollegen ihre Widerlichkeit und Inkompetenz um die Ohren haut? Oder die Bilanz als Sonettzyklus auf Bütten an die Aktionäre verschickt?«
    Baltasar atmete tief durch. »Die Grenzen der menschlichen Verrücktheit – oh, wer soll sie ermessen? Aber es stimmt – Blumenvasen kriegt man oft genug, da ist ein Gedicht doch was ganz anderes. Vor allem, wenn es handwerklich einwandfrei ist und man sich nicht durch Selbermachen blamiert.«
    Hoff drückte seine Zigarette aus und steckte einen Finger unter den Sicherheitsgurt. »Es muß nur teuer genug sein. Und Melcher macht beste Umsätze. Er wird nicht in die Literaturgeschichte eingehen, aber sicher auch nicht verhungern.« Er lehnte sich vor und spähte angestrengt durch die Scheibe. Der Mittag war wattiert. »Sag mal, sind wir schon durch einen kleinen Ort gekommen?«
    Baltasar rümpfte die Nase. »Gibt es hier Örter? Was mich betrifft und meinen körpereigenen Radar, diese Klüsen, könnten wir genausogut in der Tundra sein.« Nach schnellem Denken setzte er hinzu: »Sind wir ja sowieso. Die Gegenden, in denen die Römer mal so was wie Kultur deponiert haben, liegen längst hinter uns. Sibirien,
here we come!
«
    »Du redest wie Adenauer.«
    »Grünschnabel. Du hast Adenauer doch nie reden hören. Außerdem ist mein Englisch viel besser als dem Alten seines.«
    »Es freut mich, daß du aus der Erstarrung aufwachst.« Hoff rekelte sich und schob die Hände zwischen Nacken und Kopfstütze. »Seit ich dir von den Berufen der Kommilitonen erzähle, hast du noch kaum eine Frechheit losgelassen. Muß dich mächtig beeindrucken. Aber es wird schon wieder, oder?«
    Baltasar grunzte unverbindlich.
    Hoff kurbelte in einem Anfall von Frischluftsucht sein Fenster herunter und starrte ins Weiße. »Nichts. Nur Schnee.«
    »Hinter dem Schnee ist die Welt, aber das zu wissen ist ebenso nutzlos wie sie, insgesamt.«
    »Ich sag’s ja – gleich geht’s wieder los. Wie kann ich dir das Maul stopfen? Hab ich dir schon von Susanne Steul erzählt? Das ist die Malerin.«
    »Ich denke, sie kann nicht malen?«
    »Kann sie auch nicht; macht sie aber großartig. Sie wirft mit einer Kamera und einem Projektor das Konterfei des Kunden auf die Leinwand und pinselt dann Öl um die Gesichtszüge herum. Bemerkenswerte Effekte gibt das.«
    Undeutlich ragten Häuser aus der flockigen Watte. Baltasar hupte, aber der Schnee schluckte fast alles. »Die Hupe ist schwach auf der Brust. Nein, diesen Wagen will ich nicht.«
    Hoff schaute nach den Umrissen. »Ah, der Krämer«, sagte er plötzlich erleichtert. »Das heißt, du hast uns nicht vom Weg abgebracht.«
    »Hauptsache, du weißt, wohin es gehen soll.«
    »Was ist denn nur mit dir los? So freundlich?«
    Matzbach streckte ihm die Zunge heraus, seitlich. »Wart’s nur ab; ich schone dich für später. Schließlich ist es Freitag, und wenn ich dich heute schon zermalme, was soll ich dann bis Sonntag tun?«
    Henry nickte. »Das ist ein Problem. Vielleicht könntest du dich gepflegt unterhalten. Zum Beispiel mit Jorinde Seyß.«
    »Nur Seyß? Kein Inquart?«
    »Gar kein Inquart. Dafür hat sie eigentlich noch ein ›von‹ davor, aber das schlabbert sie.«
    Matzbach holte tief Luft. »Aha. Also eine Dame, die Adelspartikel schlabbert. Ist das ein Beruf, oder tut sie sonst noch was?«
    Henry grinste. »Sie tut. Und zwar ist sie Hexe.«
    »Wie ist man Hexe?«
    »Och, sie liest Schwarze Messen...«
    »Liest sie die schwarz oder zahlt sie Steuern auf ihre Einkünfte?«
    »Weiß ich nicht. Angeblich beschwört sie auch Dämonen und telefoniert mit Toten, ganz nach Belieben. Ich hab noch nie was davon gesehen, kann dir also nicht mehr sagen. Aber ein tolles Weib.« Er verdrehte die Augen.
    Matzbach zog eine Grimasse. »Inwiefern toll? Reitet sie häufig auf deinem, eh, Besen? Ist sie rothaarig und hat Schaum vor dem Mund, während man sie verbrennt? Tramperticket zum Blocksberg?«
    Hoff stöhnte. »Nun frag mir keine Löcher in den Bauch; ich weiß es nicht. Jedenfalls ist sie Expertin in Sachen Magie, auch, was alte Bücher angeht. Müßte dich als Okkultisten doch interessieren.«
    Matzbach schwieg lange; schließlich sagte er sanft: »Ah ja. Mich interessieren. Danke für deine Fürsorge, teurer Freund. Ich weiß es zu dings. Schätzen.«
    Henry runzelte die Stirn. »Du bist nicht etwa nachdenklich?

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