Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
Weil Ariane dich abgeschossen hat? Gehst in dich? Genießt vielleicht, daß du neben einem alten Freund sitzt und einfach die Klappe halten könntest, wenn du wolltest?«
    »Nein.«
    »Aha.«
    Der Schnee kam nicht mehr in Flocken; er schien eine zusammenhängende Decke zu bilden, Vorhang vor der Landschaft und Aufschüttung auf und neben der Straße. Matzbach bewegte den Wagen an der untersten Grenze des Möglichen im zweiten Gang, unter Einsatz der Kupplung.
    »Wie sieht es denn hier herum aus? Salzwüste? Wattenmeer? Bergwald? Hinter dem Schnee könnte alles sein.«
    Hoff kurbelte wieder sein Fenster herunter und streckte den Arm hinaus. »Au!« Er zog ihn zurück und lutschte an einem Finger. »Du hast uns sehr gut in den Hohlweg gezielt. Ich hab, glaub ich, grad ne Runde Ginster kassiert.«
    »Aha. Also ein ginsterner Hohlweg. Und sonst?«
    »Im Prinzip bewegen wir uns auf einer kleinen Straße, deren Asphaltdecke bald enden wird. Sie führt durch einen ansteigenden Wald, und wenn sie ein Lehmpfad wird, sind wir bald da.«
    »Und du glaubst, wir kommen hin?«
    »Wir sollten. Angeblich hat Adelheid angerufen und einen Bauern gebeten, im Haus die Öfen anzumachen und den Weg freizuschieben. Sonst wären wir unten im Dorf am Ende gewesen.«
    »Wer ist Adelheid?«
    Hoff kicherte. »Sie wird dir gefallen. Adelheid Koslowski. Ihrem Onkel gehört das Haus. Sie ist eine Art
allround
-Scharlatan und genießt höchste Wertschätzung. Museen reißen sich um ihre Werke, soweit man sie an sich reißen kann, und Funkanstalten und Orchester führen ihre Kompositionen auf.«
    »Was ist an ihr scharlatantrisch?«
    »Sie kann weder malen noch bildhauern noch komponieren. Aber sie macht es gut. Sie hat ja auch beste Vorbilder. Ihr Motto, wenn niemand ernstlich zuhört, ist: ›Put the Beuys in the Cage‹. Nicht etwa, daß sie kleine Jungs im Knusperhäuschen vernaschen will, nein.« Er äußerte sich über die Groß- und Rechtschreibung, und Matzbach verabschiedete sich grinsend von den erhörten
boys
im Käfig.
    »Das Unerhörte ist allzeit besser, gewißlich«, murmelte er. »Haben wir jetzt alle durch?«
    Hoff schüttelten Kopf. »Nein. Es fehlt noch Eva-Maria, genannt Evita, Rieseby. Sie scheffelt Tausender mit einer Mischung aus Heraldik und Mode.«
    »Kann man das?«
    »Sie kann. Sie hat einen Liefervertrag mit einem Textilkombinat in der Volksrepublik China. Die schicken ihr Hemdchen und Höschen. Kostet Evita nicht mal nen Fünfer pro Stück. Sie versieht die guten Stücke dann mit Familienwappen oder Motto des Kunden und verkauft das Ganze für nen Hunderter. Gutes Geschäft.«
    »Tja, so schnell fünfundneunzig Prozent Gewinn machen ...« Hoff wollte »neunzehnhundert« sagen, als er den aufsteigenden Mundwinkel sah. »Ja ja. Man muß eben genug bekloppte Leute kennen. Evita hat eine Boutique in Düsseldorf, wo sonst, und arbeitet hauptsächlich für die dortigen Golf- und Tennissnobs, wen sonst? Da gibt es viele, die es leid sind, immer mit dem dämlichen Krokodil auf dem Hemd herumzulaufen ... Vorsicht!«
    Sein Schrei kam zu spät. Mit einem sanften
Plong
schnüffelte sich der Kombi ins Heck eines verschneiten Wagens, der den nicht einmal mehr zu ahnenden Hohlweg versperrte. Baltasar nickte stumm, als wolle er dem Olymp seine Billigung bekunden; dann stellte er den Motor ab und reichte Hoff den Schlüssel. »Da. Das geht hier irgendwie nicht so recht weiter. Die famosen ländlichen Staus.«
    Hoff steckte den Schlüssel ein. »Hoffentlich sind wir die letzten.«
    Matzbach rümpfte die Nase. »Eh, hm, man könnte natürlich ein Warndreieck aufstellen. Bei dem Tempo, mit dem die Watte im Moment über uns kommt, ist es mindestens eine halbe Minute sichtbar. Und mindestens anderthalb Meter weit.«
    Hoff schlug den Kragen seiner Wildledernen hoch und öffnete die Tür. »Mal sehen, wo wir sind.« Er stieg aus, hielt sich am Wagen fest und tastete durch den fallenden Schnee.
    »Lassen sie dich nicht mehr aus der Gummizelle? Armes Kerlchen«, murmelte Baltasar. Er sah interessiert zu, wie Henry die Arme ausstreckte und sich bemühte, wenigstens die eigenen Fingerspitzen zu sehen. Plötzlich stieß er einen schrillen Schrei aus und verschwand.
    Matzbach schob seinen Sitz zurück, kippte die Lehne in eine Stellung zwischen senkrecht und waagerecht, verschränkte die Arme vor der Brust und pfiff leise. Der Schneefall schien an einer Stelle dichter zu werden, gewann grauweiße Konturen; Hoff erschien.
    Baltasar bewegte sich nicht,

Weitere Kostenlose Bücher