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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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»Brrr.« Er schüttelte sich. »Absolut scheußlich, das da.«
    Matzbach machte tief in der Kehle kollernde Geräusche, etwa wie ein amüsierter Truthahn. »Ekel dich nur gut ein. Das macht den Reiz der Sache aus: Daß man sich so vergleichsweise lebendig fühlt.«
    Er blickte auf Bett und Leiche, dann schraubte er den Füller auf und begann mit einer Skizze.
    Das Zimmer war etwa drei Meter breit und von der Tür zum Fenster vier Meter tief. Von der Tür gesehen, stand gleich rechts an der Kopfwand das Öfchen; es war kalt. Daneben lagen sieben Briketts auf einer Blechplatte, auf der auch ein kleiner Ascheimer stand, leer.
    An der rechten Seitenwand lehnte wie hilfesuchend ein großer Schrank; er enthielt Decken, Kissen und Bezüge.
    Zwischen Schrank und Fenster stand ein wackliger Tisch mit halboffener Schublade. Auf dem Tisch türmten sich in fröhlichem Durcheinander Schusters Habseligkeiten: drei Sockenknäuel, ein schmutziges Taschentuch, acht Büchsen mit Tierfutter, ein kleiner Käfig mit drei gutgenährten, aber unruhigen Ratten, eine Brieftasche, ein Heftchen mit Adressen und Telefonnummern, ein Ring mit Schlüsseln. Die Schublade war leer.
    Vor dem Tisch lag ein Stuhl, der beide Vorderbeine gebrochen hatte; auf dem Stuhl hingen oder lagen Schusters bekleckertes braunes Hemd, eine schmierige Unterjacke mit kurzen Ärmeln, eine über die Maßen schmierige Unterhose.
    Das Fenster mußte schon sehr lange offen gewesen sein; der Raum war eiskalt.
    An der linken Seitenwand stand das Bett. Die Nachtkommode lag neben dem Kopfende auf dem Boden, die kleine Leselampe zwischen Kommode und Fenster, mit zerbrochener Birne. Unter dem Bett fand sich ein Nachttopf, bis zum Rand mit gelblicher Flüssigkeit gefüllt. Schusters Sandalen konnten nicht zusammenkommen; eine lag neben dem Kammergeschirr, die andere hinter den Briketts.
    Schuster hatte mit einem nackten Kopfkissen vorliebgenommen; die speckigen Haare des Toten hätten die Verwendung eines Bezugs erheischt. Die Matratze war mit einem Laken bedeckt, und Schuster mochte sich mit einem weiteren Laken und zwei Wolldecken gewärmt haben. Das Laken bildete einen zerknüllten Haufen am Fußende; eine der Wolldecken lag vor dem Bett, die andere unter dem Fenster. Unter dem Bett, ganz an die Wand geschoben, stand ein kleiner hölzerner Transportkäfig mit zwei zerbrochenen Stäben.
    Matzbach hielt seine Skizze hoch und schnitt eine furchterregende Grimasse. »Genenger«, sagte er, ohne sich umzudrehen, »könnten Sie wohl die komischen Fotos von unten holen?«
    Der Bestatter knurrte und ging.
    »Nun zu den opulenten Einzelheiten«, murmelte Baltasar.
    Hoff seufzte. »Ich weiß nicht, was das alles soll. Ich komme mir vor wie in einem ganz frühen Buñuel-Film. Dieses Zeug da ...«
    Zwischen Bett und Schrank lagen viele Dinge auf dem Boden, von denen die eine Wolldecke sich scharf abhob als ein vernünftiges Utensil mit erklärbarer Funktion. Ein Kupferdraht, am Ende zu einer engen Schlinge gebogen; ein Handtuch mit ein wenig Blut; ein Gummihandschuh mit Zahnspuren am Mittelfinger und am offenen Ende; insgesamt nicht weniger als achtzehn mittelgroße Streifen Leukoplast, deren Unterseiten angekokelt waren; ein kleiner Hammer; ein Kerzenstummel; ein Küchenmesser mit abgebrochener Spitze und Blutflecken an der Bruchstelle der Klinge; ein vielfarbiger Seestern aus Stoff, wie man ihn Kleinkindern zum Spielen und Besabbern gibt; ein aus Gummi verfertigtes, mehrbahniges Stück Strickleiter bzw. Wanten im Taschenformat, möglicherweise ursprünglich zu einem Segelschiffsmodell gehörend.
    »Und was ist das da? Ein schwarzes Kondom? Für den Verkehr während der Trauerzeit? Oder was?« Hoff deutete auf das letzte, von Matzbach noch nicht katalogisierte Objekt.
    Baltasar warf ihm einen erstaunten Blick zu. »Ein schwarzes Kondom für Trauerfälle?
Mon dieu
, welche Feinfühligkeit! Aber das ist keine Nahkampfsocke, du Trottel.« Er faßte den Gegenstand vorsichtig an und hob ihn hoch. »Ein Luftballon im Wartezustand«, sagte er. Dann legte er ihn wieder zurück. Er räusperte sich mehrmals.
    Genenger kam mit den Fotos und stellte sich wieder in den Türrahmen. »Hier sind die Dinger.«
    Baltasar winkte ab. »Später. Ich wollte nur sichergehen, daß sie nicht plötzlich verschwinden. – Nun zum Leichmann.«
    Schuster lag nackt auf dem Bett. Die Beine waren verkrampft, und die schmutzigen Zehen bohrten sich ins Laken. Der Kopf lag ein wenig schief; der Mund stand offen, im

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