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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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zunächst im engeren, dann im weiteren Kreis der noblen Sportsfreunde Familienwappen und -embleme zu entwerfen. Es fiel ihr nicht schwer, da sie zeichnen konnte. »Anders als Susanne und Adelheid. Aber die malen ja beruflich.« Die Boutique hieß natürlich
Evita
, auch wegen des schicken Musical-Appeals, und lag auf dem linken Rheinufer, wo nicht nur die Düsseldorfer Elite, sondern auch die besten Neureichen aus Neuß, Büderich und Meerbusch verkehren.
    »Vermutlich haben Sie Philosophie studiert, weil Kunstgeschichte vulgär geworden ist, ja?«
    Evita versuchte ein fröstelndes Lächeln. »Tja, so ungefähr.«
    Nun verfertigte sie seit Jahren exklusiv Sportkleidung für jene, die ihr eigenes Wappen auf Brust oder Gesäß zum Golfplatz tragen wollten. Die Einnäher
Made in the People’s Republic of China
pflegte sie zu entfernen und durch ein schlichtes
Evita – 100% Baumwolle
bzw.
Seide
zu ersetzen.
    »Dann haben die ersten Schneider dichtgemacht, weil die Rezession losging. Da hab ich einen arbeitslosen Schneidermeister eingestellt. Seitdem machen wir mit inzwischen sechs Leuten auch exklusive Freizeitmode – nach Maß und auf Bestellung.«
    Sie hatte sich in den letzten Minuten beinahe erwärmt, was eher am Gegenstand ihrer Rede als an Matzbach oder der Luft lag. Nun schwieg sie und begann bald wieder zu zittern.
    »Was können Sie mir über Schuster erzählen?«
    »Wenig. Wie die anderen hab ich ihn auf der Uni kennengelernt. Dann kam die berühmte Examensvorbereitung hier, danach jedes Jahr die Treffen. Er ist in den letzten Jahren immer schmieriger geworden.«
    »Abgesehen von diesen Nostalgie-Treffs hatten Sie keinen Kontakt zu ihm?«
    »Kaum.« In seiner Anfangszeit als Tierverleiher sei er einige Male bei ihr gewesen. Unter anderem, um Anschriften zahlungskräftiger Kunden von ihr zu bekommen, was sie verweigert habe. »Dann hatte er plötzlich Geld, ich weiß nicht woher, und hat seine Menagerie im Hinterland aufgemacht.«
    Sie fror nun so stark, daß sie mit den Zähnen klapperte. Sie sprach immer schneller; die Antworten sprudelten. Sie sagte, mit den anderen habe sie ebensowenig Kontakte wie mit Schuster, außerhalb der Treffen. Abgesehen vielleicht von einem gelegentlichen Telefonat. »Nicht mal Adelheid und Susanne, die beide in Düsseldorf wohnen, sehe ich öfter. Wir haben alle zuviel zu tun.«
    Matzbach zog die Befragung noch weitere zehn Minuten in die Länge. Schließlich nickte er und sagte: »Na gut, ich glaub, das wär’s.«
    Sie stand von ihrem Ofensitz auf, zitternd und zittrig. Einen Moment lang sah sie Matzbach in die Augen; plötzlich versuchte sie ein Lächeln. »Sie sind ja gar nicht so«, sagte sie erstaunt. »Ich glaube, ich weiß jetzt, warum Sie den Zirkus inszenieren.«
    »Wie Sie meinen. Aber wir sind noch lange nicht fertig mit dem, was Sie Zirkus nennen.«
    Sie ging zur Tür. »Wen soll ich Ihnen schicken?«
    Er stülpte die Lippen vor. »Hm. Ach, warum nicht Frau Koslowski?«
    Sie nickte und ging schnell hinaus. Als die Tür sich hinter ihr schloß, begann Baltasar zu grinsen. Er steckte die Zigarre in den Mund und hielt die Ratte mit beiden Händen hoch. »Na, Kleiner«, sagte er undeutlich. »Gute Sache, was?«
    Die junge Ratte sträubte die nicht voll ausgebildeten Schnurrbarthaare, gab aber keinen Kommentar ab. Dafür schienen die beiden im Käfig, die sich bisher ruhig verhalten hatten, von einer Art Panssprung erwischt worden zu sein und begannen, in ihrem Gefängnis herumzutoben.
    Adelheid Koslowski verfärbte sich, als sie Matzbach mit seiner Ratte auf dem Bett sitzen sah, neben der Leiche. Sie holte tief Luft und hockte sich ebenfalls auf den Ofen.
    Ein Werbegrafiker, sagte sie, habe sie nach ihrem Examen auf die Idee gebracht. »Irgendwann, kurz vor Ende unserer Beziehung, hat er bei einer Ausstellung Bemerkungen über die ausgestellten Gemälde und Objekte gemacht. Wann ein Künstlerkomitee wohl beschließen würde, daß die Beherrschung künstlerischen Handwerks Kunstausübung verhindert und daher verboten gehört. Oder so.« Da habe es bei ihr
klick
gemacht. Picasso, führte sie aus, habe alle Techniken beherrscht, verfremdet, mit ihnen gespielt oder absichtlich gegen sie verstoßen. Das sei aber selten der Fall bei geschätzten aktuellen Künstlern. Ob nicht die Behauptung, Cage in der Musik oder Beuys in der darstellenden Kunst seien wichtig, eine Verschwörung von Künstlern und Kritikern sei? »Kein normaler Mensch kann was damit anfangen«, sagte sie,

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