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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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»soweit ich weiß. Vielleicht kann der eine tatsächlich irgendwas komponieren, was ein Menschenohr als Melodie identifiziert. Vielleicht kann der eine oder andere auch irgendwas malen. Obwohl ich es nicht glaube. Picasso konnte, und wenn er etwas gemacht hat, das wie Unsinn aussah, dann, weil er es so wollte. Die meisten neueren Sachen, abgesehen von der vertrackten Op-Art, sehen aber aus, als hätte da jemand Unsinn gemacht und könnte es nicht besser.« Sie schüttelte sich, weniger wegen des Themas als wegen der eisigen Kälte. »Picassos
Guernica
kann ich nicht nachmachen. Aber eine Schokoladentorte ins Klavier werfen und das als Kunstobjekt ausgeben oder mich auf die Tasten setzen und dazu einen Musiksender im Radio wählen, das kann ich auch.«
    Matzbach verkniff sich ein Grinsen. »Aber einen Filzhut haben Sie nicht, oder?«
    Adelheid Koslowski deutete auf ihre Sandalen, in denen die knorrigen Füße, aus Adel oder Kälte, blau anliefen. Oberhalb der abstehenden Knöchel erstreckten sich die Gamaschen aus dunkelblauem Samt. »Viel zu gefährlich, ein Hut«, sagte sie mit einem halben Lächeln; »lenkt die Aufmerksamkeit auf den Kopf der Person.« Und dies habe häufig Enttäuschung, wahrscheinlicher aber Demaskierung zur Folge. Sie ziehe es vor, durch die Gamaschen Aufmerksamkeit statt auf ihren Kopf auf die Füße zu lenken. »Und meine Hammerzehen können sich wirklich sehen lassen.«
    Sie betrachtete Matzbach, der die Ratte in seinen Händen betrachtete, die die glimmende Zigarre betrachtete. Die Kälte, die die Muskeln lähmte, löste Adelheids Zunge. Wie zuvor Evita sprach sie immer schneller, um so bald wie möglich wieder in die Wärme zu kommen.
    »Also hab ich mir gesagt: Wenn angeblich bedeutende Künstler keine Anzeichen von Handwerk zeigen, könnte ich, statt mit meinem Philosophieexamen zu verhungern, doch ohne Handwerkskenntnis eine reiche Künstlerin werden.«
    »Und so beschlossen Sie, Scharlatanin zu sein.«
    »Nein. Große Scharlatante, das klingt besser. Ich habe meine Siamkatze über eine Leinwand geschickt, nachdem sie in Ölfarben gebadet hatte. Ich habe Tusche in Sand gegossen und mit einer kleinen Schleuder aufs Papier geschossen. Mein bestes Kunst-Objekt war ein Bechsteinflügel. Ich habe Hühnerfedern mit Blut an die Beine geklebt – eine Art Pegasus-Effekt. Dann habe ich ölverschmierte Flügel von krepierten Wattvögeln auf die Tasten genagelt und einen kleinen Cherub in den Schallkasten gelegt. Mit vier Flügeln, versteht sich.«
    Inzwischen lebe sie mit einem hageren Informatiker zusammen, der von Kunst nichts verstehe und ihr die für die Kompositionen nötigen Computerprogramme erstelle. »Ganz einfach. Zum Beispiel ein Fugenprogramm. Ich gebe die Töne c, dis, f und a ein und die Anweisung, das Stück soll zehn bis fünfzehn Minuten dauern. Der Computer macht es. Eine dieser Kompositionen ist vorletztes Jahr in Donaueschingen gefeiert worden. Besonders die atonalen Sachen, die lieben wir, der Computer und ich. Wenn es klingt, als ob Sie einer Eule den Schwanz versengen und sie dann mit einem Kojoten paaren, dessen Vorderpfote in Stacheldraht hängt, das Ganze unter Wasser, dann ist es richtig. Drei Ehrendoktorhüte habe ich schon.«
    Matzbach nickte. »Die kleiden Sie sicher so gut wie die Gamaschen. Was können Sie mir über Schuster erzählen?«
    Frau Koslowski hob die Schultern, die längst zitterten. »Wenig.«
    Sie wiederholte in der Substanz Evitas Auslassungen über zunehmende Schmierigkeit, und daß er auf dunklen Wegen das Startkapital für die Menagerie zusammengebracht habe.
    »Schuster hat mir gesagt, er habe anfangs Schulden machen müssen. Jemand von Ihnen hat Andeutungen über eine Erpressung fallen lassen. Können Sie das präzisieren?«
    »Nnnein. Ich weiß da nichts Genaues. Er hat Anspielungen gemacht, aber das ist alles. Wir wollten ihn eigentlich längst nicht mehr dabeihaben, aber er ist einfach gekommen.« Nach kurzem Bedenken setzte sie hinzu: »Aber das ist ohnehin das letzte Treffen.«
    Baltasar richtete die Schnauze der Ratte auf Frau Koslowski. »Wieso?«
    »Man wird älter. Gewisse Dinge verlieren ihren Reiz, wenn man sie wiederholt. Außerdem beginnen bei einigen die festen Beziehungen. Seßhaft, verstehen Sie.« Sie schnitt eine Grimasse.
    »Sie und Ihr Informatiker?«
    »Auch. Heinrich, glaub ich, will heiraten. Susanne ist neuerdings in festen Händen. Oder fast. Arthur hat auch so was anklingen lassen.«
    »Na ja. Ich kann mich ja glücklich

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