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Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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haben. Der beißt nicht mehr. Er bellt auch kaum noch.«
    Zögernd trat Evita ins Zimmer. Sie warf einen Blick auf die Leiche, wandte sich ab, verschränkte die Arme, so daß die Hände in den Achselhöhlen steckten. »Können wir wenigstens das Fenster zumachen?« sagte sie kläglich.
    Matzbach schloß die Tür und hockte sich auf die Bettkante, mit Schusters Leichnam im Rücken. Ihm schien das alles nichts auszumachen. »Ach, lieber nicht. Die Leiche bleibt länger frisch, wenn es nicht so warm ist. Außerdem ist das feine, saubere Winterluft.«
    Sie holte Atem, stieß ihn lautstark wieder aus und lehnte sich mit dem Gesäß gegen den Ofen.
    Baltasar starrte auf den Boden, musterte die verstreuten Einzelheiten und versank in Schweigen. Evita blickte ebenfalls nach unten, auf die angesengten Pflaster, die Kupferschlinge, den leeren schwarzen Ballon, die Decken. Sie schüttelte sich, sah Matzbach an, wartete. Er starrte noch immer auf den Boden, nun aber mit leerem Blick. Seine rechte Hand kletterte langsam aus der Seitentasche, hob sich, sank in die Innentasche, kam mit einer Zigarre wieder heraus, führte diese zum Mund, der sich widerwillig zu öffnen schien. Die Linke bewegte sich in ihrer Tasche, machte schabende Geräusche, dann kam sie mit einem brennenden Streichholz zum Vorschein. Evita riß die Augen auf. Ohne Matzbachs Zusehen fand das Streichholz zur Zigarre. Die dicken Wangen verfielen, bildeten Höhlen, blähten sich wieder, bildeten abermals Höhlen. Bläulicher Rauch stieg auf. Mit leisem Grunzen nahm Matzbach das brennende Streichholz so zwischen Zeige- und Mittelfinger der Rechten, daß die Flamme sich von oben den Nägeln entgegenfraß. Er schnippte den Daumennagel gegen das untere Ende, und die Flamme erlosch.
    »Aha, haja, bah. Ich bin allergisch gegen Vitamine, Chlorophyll und Frischluft. – Sagen Sie mal, Frau Rieseby, was für einen Wagen fahren Sie?«
    Evita zwinkerte ungläubig. Sie setzte sich auf den kalten Ofen. »Fiesta«, sagte sie. Ihre Unterlippe begann zu beben.
    Matzbach seufzte. »Ach nein, das ist nichts für mich.« Er verfiel wieder in brütendes Schweigen.
    Evita starrte ihn noch immer mit großen Augen an. Das Beben endete, wurde zu Frösteln in anderen Teilen ihres Körpers, dehnte sich aus. Schließlich zitterte sie am ganzen Leib vor Kälte. Nur mühsam nahm sie ein plötzliches Rascheln wahr.
    Matzbach blickte zum Tisch in der Ecke des Zimmers, stand auf und stieg über die verstreuten Indizien. Evita hörte vor Abscheu einen Moment mit dem Bibbern auf, als Baltasar den kleinen Käfig öffnete, die Hand hineinsteckte und eine der drei feisten Ratten herausholte. Er verschloß den Käfig wieder und hielt das knurrende Tier hoch, maß es an seiner Hand. »Na, Kerlchen«, sagte er beinahe liebevoll, »du bist zwar fett, aber klein. Bestenfalls ein Jüngling, wie?« Er ging zurück zum Bett und setzte sich wieder neben die Leiche; dabei hielt er die Ratte mit der Linken, und als sie allzu deutlich die Zähne zeigte, blies er ihr Rauch ins Gesicht.
    Evita hatte die Hände aus den Achselhöhlen gezogen und wie zur Abwehr erhoben. Nun legte sie eine mit dem Rücken an den Mund, die andere mit der Fläche an den Hals.
    Matzbach sah sie an, ohne sichtbare Gemütsbewegung. »Nun erzählen Sie mir mal ein bißchen.« Er streichelte die Ratte mit den Fingerkuppen.
    »Was?«
    »Na, wie Sie darauf gekommen sind, das zu machen, was Sie machen, zum Beispiel.«
    Sie legte auch die zweite Hand an den Hals und begann hastig zu sprechen. Anfangs verhaspelte sie sich, die Sätze waren selten vollständig. Dann wurde sie flüssiger, ohne das Tempo verringern zu können.
    Sie stammte aus einem betuchten Elternhaus. Zum Examen hatten die Eltern ihr eine Weltreise geschenkt, »um meinen Horizont zu erweitern«. In Pakistan hatte sie begonnen, sich die Gewänder der Frauen und Männer genauer zu betrachten; in Hongkong hatte sie, mit erwachtem Interesse und undeutlichen Vorstellungen, eine Textilfabrik besichtigt. Aus Peking hatte sie, nach einer langen Nacht mit einem britischen Außenhandels-Experten, ein Telegramm an die Eltern geschickt: Ob sie ihr beim Aufbau eines Geschäfts helfen würden, wenn sie den Sinn des Unternehmens nachwiese.
    »Seitdem beziehe ich von einem Textilkombinat bei Peking Baumwoll- und Seidenhemden und -hosen. Ich hab immer gern genäht. Außerdem viel Tennis gespielt. Mein Vater ist Golfer, und man hat ja einen weiten Bekanntenkreis.«
    Also hatte sie begonnen,

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