Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mörder und Marder

Mörder und Marder

Titel: Mörder und Marder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
Vom Netzwerk:
preisen, die letzte Auflage miterleben zu dürfen. Passend, daß dabei ein Mord geschieht.«
    Adelheid erhob sich vom Öfchen und blickte über Matzbachs Schulter auf den Toten.
    »Wieso sind Sie eigentlich so sicher, daß er ermordet worden ist?« sagte sie. Ihre Zehen verkrampften sich, als wollten sie sich zusammenkugeln, um der Kälte weniger Angriffsfläche zu bieten. »Ich meine, man sieht nichts – keine Wunde, keine Würgemale.«
    Baltasar lächelte. »Wollen sie genauer hinschauen?«
    Sie hob abwehrend eine Hand.
    Matzbach betrachtete sie eine Sekunde aufmerksam. Dann steckte er die Ratte in seine Jackentasche und wandte sich der Leiche zu. »Ich kann Ihnen etwas zeigen. Es hat mit den Augen zu tun.« Er beugte sich vor.
    Adelheid sah seinen Rücken und die Richtung, in die er die Hände streckte.
    »Bah«, machte er plötzlich. »Das war das falsche. Ich meine, das richtige Auge. Hätte ich mir denken können; das andere sieht ja viel intelligenter aus. Wollen wir dich mal wieder reindrücken.«
    Er hörte erstickte Geräusche; als er sich umdrehte, sah er Adelheids bleichgrün angelaufenes Gesicht, die Hände, die zum Mund stiegen, und die hastige Bewegung. Dann hörte er ihre Laufschritte auf dem Korridor. Seine Hände waren sauber; er hatte nichts berührt. Die Ratte steckte die Schnauze aus der Tasche. Matzbach stand auf, verließ das Zimmer, schloß die Tür ab und ging nach unten.
    Abgesehen von Adelheids Fehlen und Evitas besserer Laune hatte sich im Kaminzimmer nichts geändert. Hoff, der den Marder heftig halten mußte, blickte den Dicken fragend an.
    Matzbach zog eine Hand mit Ratte aus der Tasche. Der Marder bewegte sich unruhig. »Ich frage mich«, sagte Baltasar, »wie lange Vespasian nichts mehr zu essen bekommen hat. Und ob Schuster die drei Ratten im Käfig als Proviant für ihn vorgesehen hatte.«
    Entweder hatte keiner Aversionen gegen Ratten, oder Evita hatte bereits berichtet. Niemand verzog eine Miene, wenngleich alle auf das Tier in Matzbachs Hand starrten.
    Mit einer fließenden Bewegung stand Jorinde von der Lehne auf. »Wollen Sie das Tier wirklich verfüttern?«
    Susanne Steul blickte zwischen ihr und Matzbach hin und her. »Ihr meint das doch sicher nicht ernst, oder?«
    Matzbach nickte gewichtig. »Wohl. Doch. Ja.«
    Jorinde spitzte nachdenklich den Mund. »Macht es Ihnen was aus, damit noch zu warten? Ich würde gern mitmachen. Dabeisein. Aber dafür müßte ich mich vorbereiten.«
    Melcher hörte auf, mit seinem Stuhl zu wippen. Er stellte den Becher mit dampfendem Kaffee (offenbar war inzwischen jemand in der Küche gewesen) auf die Fensterbank und stand auf. »Ich habe allmählich genug. Was soll das nun wieder werden?«
    Jorinde schwieg; sie sah Matzbach an. Baltasar riß seine Augen von den ihren los und runzelte die Stirn. »Tja, das ist ganz einfach. Ich will verhindern, daß der Marder verhungert. Und Jorinde, wenn ich das richtig sehe, will die Fütterung, bei der vermutlich diese Ratte den Löffel abgibt, als Opferung nehmen und ein bißchen hexen.«
    Melcher schüttelte den Kopf und ging zum Eßtisch, auf dessen Kante Genenger hockte, als sei er aus der Tischplatte gewachsen. »Sollen wir diese Irren stoppen, Heinrich? Oder wollen wir das alles hinnehmen?« Er schaute den Bestatter fragend an; neben dem wohlgenährten Genenger wirkte der hagere Dichter noch länger.
    Genenger wechselte das Standbein und verzog den Mund. »Mir ist das so was von egal.«
    Hoff fing einen verqueren Blick von Baltasar auf, bemühte sich um eine Deutung und erhob sich. Er verkeilte den Marder wieder mit Decken auf dem Sofa; Vespasian stieß schrille Protestlaute aus und richtete die Schnauze mit gefletschten Zähnen auf die Ratte.
    »Ich weiß was«, sagte Henry halblaut.
    »Was?« fragte Susanne.
    »Es gibt doch hinten noch eine Tür. Im Vorratsraum.«
    »Die ist aber zugeschneit, von außen«, sagte Melcher.
    »Macht nichts. Wenn ich mich nicht irre, geht sie nach innen auf. Ich nehme an, Fütterung und Hexerei sollen auf der Veranda stattfinden, wo keiner entkommen kann und keine Teppiche versaut werden. Ich lege keinen Wert darauf, barbarischen Unfug mitzumachen.« Er zögerte.
    »Na und?« sagte Melcher.
    »Na, ich dachte, wir andern könnten in der Zeit hinterm Haus ein paar feine Schneemänner hinkriegen.«
    Matzbach schenkte ihm einen beinahe respektvollen Blick. Melcher wickelte den Schal fester um seinen Hals. Genenger kicherte. »Toll«, sagte er. »Schneemänner bauen. Warum

Weitere Kostenlose Bücher