Mörderisch verliebt: Roman (German Edition)
Schultern, und ihre Augen schauten immer noch so traurig wie die eines Welpen.
»Was ist mit ihm?«, fragte ich noch einmal, und hatte plötzlich die schlimmsten Szenarien vor Augen. »Er hat doch nicht … O Gott, Elaine! Er hat dich nicht angefasst, oder?«
Sie antwortete nicht.
Wut explodierte wie ein Feuerwerk in meinem Kopf. Manche Leute sind ja der Meinung, ich sei leicht reizbar. Mein Bruder Michael hat mich immer »Crazy Chrissy« genannt. Dafür hatte ich jedes Mal in seine Brustwarzen gekniffen – was er wahrlich verdient hatte. »Dieser verdammte freakige kleine Troll!«, fluchte ich. »Ich hatte ihn gewarnt, dass er dich nicht …«
»Nein.« Elaine schüttelte den Kopf und starrte vor sich hin. »Das ist nicht das Problem, Chrissy.«
Ich zuckte zusammen. O Gott, sollte das etwa heißen, dass Solberg Elaine doch angefasst hatte? Und dass es Elaine gefallen hatte? Dass mir gerade der Boden unter den Füßen weggezogen wurde?
»Verdammt, Elaine«, sagte ich leise, von Grauen erfüllt. »Er hat dich doch nicht etwa geschlagen, oder?«
»Natürlich nicht!« Sie hob den Blick und sah mich mit ihren flaschengrünen Augen verzweifelt an. Wäre ich nicht durch und durch heterosexuell gewesen, hätte ich sie auf Knien angefleht, mich an Ort und Stelle zu heiraten.
Ich entspannte mich ein wenig. »Wo liegt dann das Problem?«
»Er …« Sie zuckte erneut mit den Schultern. »Er hat sich nicht mehr bei mir gemeldet, das ist alles.«
Ich wartete auf die schlechte Nachricht, aber irgendwie kam da nichts mehr. »Und?«
Sie warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu, während sie die Grapier-Akte irgendwo in die XYZ-Gruppe schob.
»Seitdem er nach Las Vegas geflogen ist, habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Ach ja.« Ich erinnerte mich vage, dass sie mir etwas darüber erzählt hatte, wie wichtig es war, dass NeoTech an diesem superwichtigen Technologiekongress teilnahm. Solberg sollte dort als Computerexperte bei der Tagung auftreten. Vielleicht hätte ich besser aufpassen sollen, aber ich hatte mit allerhand eigenen Problemen zu kämpfen gehabt. So zum Beispiel mit meinem Abwassersystem. Es stammte noch aus der Steinzeit, und die Giftbrühe darin drohte ständig überzulaufen und das untere Stockwerk zu überfluten.
Und dann war da noch mein Liebesleben. Na ja, genau genommen das fehlende.
»Vielleicht ist er einfach nur zu beschäftigt«, bemerkte ich.
»Wir wollten am letzten Wochenende zusammen zur großen EU-Eröffnung gehen.«
Ich schüttelte den Kopf, weil ich kein Wort verstand. »Electronic Universe«, erklärte sie daraufhin. »Die verkaufen nur modernste Elektronik. Ich glaube, es ist der einzige Laden dieser Art weit und breit.«
»Da könnt ihr doch auch nächstes Wochenende noch hingehen. Dann hat der Laden bestimmt auch geöffnet.«
Sie starrte auf ihre Hände. »Es ist mir vollkommen egal, dass wir die Eröffnung verpasst haben. Also, ich meine, kennst du ein graues Plastikding, kennst du sie alle, aber ... er hatte sich so darauf gefreut, und …« Sie zuckte die Achseln, als wollte sie die ganze Situation abtun. »Jetzt ist er schon fast drei Wochen weg.«
»Na ja …«, fing ich an, wurde dann aber stutzig. »Drei Wochen?« Mir war gar nicht aufgefallen, dass ich das kleine Ebenbild von Woody Allen schon seit drei Wochen nicht mehr gesehen hatte. »Wirklich?«
»Siebzehneinhalb Tage«, nickte Elaine.
Ich zuckte zusammen. Sie hatte mitgezählt. Es musste schon verdammt schlimm sein, wenn ein Mädchen mitzählte.
»Du hast gesagt, der Kongress sei eine ziemlich große Sache«, erinnerte ich sie. »Vielleicht hatte er dort nur noch ein paar Dinge zu erledigen oder so was in der Art.«
»Er hatte versprochen, sich jeden Tag zu melden.«
»Und seitdem hast du nichts mehr von ihm gehört?«
»Am Anfang schon. Er hat alle paar Stunden angerufen. Und E-Mails geschickt. Manchmal sogar ein Fax.« Mit Tränen in den Augen lächelte sie mich an. »Er hat mir kurze Nachrichten mit Herzen drauf geschrieben.«
Igitt! »Aha«, nickte ich.
»Und dann … nichts mehr.« Sie zuckte die Achseln, starrte auf die Empfangstheke und schob ein paar Papiere hin und her. »Ich weiß ja nicht einmal, ob er die Glühbirne überhaupt gewonnen hat.«
»Die was?«
»Die Glühbirne ist ein Branchenpreis. Als er abgeflogen ist, war er ziemlich aufgeregt, dass er überhaupt nominiert war, aber jetzt …« Sie räusperte sich. »Ich glaube, er hat eine Neue.«
Ich blinzelte ungläubig.
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