Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
Premiere würde dann umso erfolgreicher sein, vorausgesetzt, dass er seine Fehler analysiere und beim nächsten Mal vermeide.
Und so geschah es in den folgenden Wochen. Aus der nächstgelegenen Universitätsbibliothek entlieh er die notwendige Fachliteratur, um sich genauere Kenntnisse über Schlafmittelvergiftung zu verschaffen. Er stellte fest, er hätte mit der Dosis von viereinhalb Gramm durchaus die beabsichtigte Wirkung erzielen können. Aber wahrscheinlich hatte Gisela den größten Teil wieder ausgebrochen. Er schlussfolgerte daraus, dass er erstens die Tablettenmenge noch erhöhen und zweitens auf irgendeine Weise das spontane Erbrechen verhindern müsse, so dass das Gift im Körper verblieb.
Die Tage verliefen in gewohnten Bahnen: Sprechstunde, Hausbesuche bei Patienten, Sitzungen, zuweilen eine Nacht bei Steffi, Vorwürfe oder zynische Bemerkungen Giselas, bis sie sich wieder mit Alkohol beruhigte, einige trockene Tage, als ihre Tochter aus erster Ehe sie besuchte.
Veith entschloss sich, beim nächsten Anschlag statt Kalypnon ein anderes Schlafmittel, Veronal, zu verwenden. Endlich glaubte er auch ein Mittel gefunden zu haben, das das spontane Erbrechen verhinderte. Er musste mit dem Veronal zugleich Prothazin injizieren.
Geduldig wie ein Kater vor dem Mäuseloch wartete der Doktor auf eine neue Gelegenheit, die »Krampfaderkur« zu wiederholen.
Sie ergab sich nach einem Vierteljahr, als Giselas Schmerzen in den Beinen zunahmen. Diesmal nahm ihr der Doktor zum Schein das Versprechen ab, vorher auf Alkohol zu verzichten. Dann erklärte er ihr, er wolle eine neue Therapie anwenden, die die Wirkung des Penizillins verstärke. Er werde ihr Prothazin injizieren. Hauptsache, es hilft, sagte Gisela, und erklärte sich einverstanden.
Am folgenden Wochenende sollte es dann geschehen.
Bereits vor Einnahme des Giftes ließ Veith seine Frau vorsorglich zu Bett gehen. Er injizierte ihr zwei Ampullen Prothazin intramuskulär. An ihrem Bett bereitete er mit der doppelten Menge Veronal den tödlichen Trunk vor. Sie schluckte ihn voller Ekel und legte sich danach sofort nieder. Diesmal blieb das befürchtete Erbrechen aus. Eine Viertelstunde später war Gisela in tiefen Schlaf gesunken. In den ewigen Schlaf, hoffte der Doktor.
Und diesmal schien er Glück zu haben. Auch in den nächsten Stunden kein Erbrechen. Er führte einen Katheter in die Harnblase ein, um auch den Blasendruck und ein vorzeitiges Erwachen zu vermeiden. Er wiederholte die Prothazininjektion und kontrollierte regelmäßig Atmung, Puls und Blutdruck und stellte befriedigt fest, wie die Vergiftung deutlich fortschritt.
Als der Doktor am übernächsten Morgen wieder an Giselas Bett trat, war sie tot.
Jetzt war er frei, für ein neues Leben mit Steffi.
In sein Triumphgefühl mischte sich nun Besorgnis. Den
Mord hatte er gemeistert. Jetzt musste er ihn verschleiern. Und das war weit schwieriger, denn der Erfolg hing nun nicht mehr allein von seiner Intelligenz ah. Höchstens von seiner Kaltblütigkeit und Geistesgegenwart. Ein wachsamer Arzt, so hatte Veith in Prokops FORENSISCHER MEDIZIN gelesen, könnte bei der Leichenschau durchaus Vergiftungssymptome feststellen. Bei Barbiturat-Vergiftungen verengen sich die Pupillen, die Totenflecke sind kräftig. Wie bei andern Vergiftungen können sich an Füßen, Händen, Brüsten und an der Innenseite der Kniegelenke handtellergroße Blasen bilden. Käme es aber erst einmal zum Verdacht eines unnatürlichen Todes, würde eine gerichtliche Obduktion mit Sicherheit das Gift entdecken.
Deshalb hatte Veith noch an eine zweite Absicherung seiner Tat gedacht. Die erste beruhte auf der Hoffnung, der ihm gut bekannte Kreisarzt Dr. Winter, der über Giselas Kreislaufschwäche informiert war, würde sich mit einer oberflächlichen Leichenschau begnügen und einen natürlichen Tod durch Herzversagen bescheinigen. Sollten sich aber Vergiftungssymptome zeigen und von Dr. Winter festgestellt werden, musste eine zweite Absicherung in Gang gesetzt werden. Dann würde er Giselas Tod als Selbstmord erscheinen lassen. Und dafür hatte er einen, wie er hoffte, überzeugenden Beweis vorbereitet: einen der Briefe Giselas mit ihrer Selbstmorddrohung. Er hatte die ersten zwei Zeilen des Briefes weggeschnitten, die das Motiv ihres Suizids, seine Beziehung zu Steffi, nannten. Übriggeblieben war die bloße Mitteilung, da die Ehe zerbrochen sei, sei ihr Selbstmord auch ihr letzter Liebesbeweis.
Ein sozusagen klassischer
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