Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat
seine Arbeit konzentrieren. Dass er als Amtsarzt eine falsche Todesursache angegeben hatte, nur aus kollegialer Rücksicht, ließ ihn nicht zur Ruhe kommen. Nach einer unruhigen Nacht rief er am nächsten Morgen den Bezirksarzt an und teilte ihm mit, dass er möglicherweise einen Totenschein falsch ausgefüllt habe. Die Frau eines Kollegen habe vermutlich mit Schlaftabletten Selbstmord verübt. Der Bezirksarzt forderte Winter auf, eine Verwaltungssektion zu veranlassen, um die Todesursache genau festzustellen. Dr. Winter beauftragte den Prosektor des Pathologischen Instituts mit der Obduktion. Aber der Prosektor übergab den Auftrag ans Gerichtsmedizinische Institut, da vermutlich Selbstmord vorliege.
Dr. Winter rief auch Veith an und unterrichtete ihn über den Vorgang. Veith suchte sein Erschrecken hinter gleichgültiger Antwort zu verbergen: Dr. Winter möge tun, was er für richtig halte. Er selbst werde jedoch die Obduzenten über die näheren Umstände des Todes seiner Frau informieren.
Als Veith im Gerichtsmedizinischen Institut ankam, musste er alle seine Kraft darauf richten, den trauernden Ehemann zu spielen. Vor dem Sektionsraum stand eine Gruppe Menschen, die harmlos miteinander plauderten und scherzten, die aber, wie er fürchten musste, bald seine erbitterten Feinde sein würden. Auch Dr. Winter war dabei.
Als Dr. Winter Veith erblickte, löste er sich aus der Gruppe und kam Veith entgegen. Veith erfuhr, dass Prof. Dr. Herold und sein Assistent die gerichtliche Obduktion vornehmen würden, dass aber auch der Staatsanwalt und Hauptmann Birnbaum von der Kripo daran teilnehmen würden.
»Ein bedeutungsvoller Fall«, sagte Winter. Weißt du überhaupt, was du da sagst? dachte Veith.
Winter führte Veith zur Gruppe der nun ganz ernst blickenden Amtspersonen und stellte ihn vor. Dr. Veith wandte sich an den Professor, er wolle ihm vor der Obduktion einige Informationen geben. Aber Prof. Herold erwiderte schroff, das habe Zeit bis später.
Dann wandte er sich von Veith ab und öffnete die Tür zum Sektionsraum.
Veith blieb allein zurück. Was geht da drinnen vor, fragte er sich besorgt.
Und Veith hatte tatsächlich Grund zur Sorge.
Bereits bei der äußeren Besichtigung der Leiche entdeckte Prof. Herold auf der Gesäßseite braunrote punktförmige Hautvertrocknungen, jeweils zwei im äußeren oberen Quadranten jeder Gesäßbacke. Es waren typische Injektionsstellen. Lage und Färbung der vier Einstiche wurden im Protokoll vermerkt und das Gewebe ringsherum für spätere Untersuchungen herauspräpariert.
Nach Eröffnung des Körpers fanden die Obduzenten Ödeme in Lunge und Gehirn. Das könnten Symptome für eine Vergiftung sein. Aber sie waren zu uncharakteristisch, um schon die Art der Vergiftung erkennen zu können.
Für die chemisch-toxikologische Untersuchung war der »Große Giftansatz« erforderlich. Dazu wurden der Leiche die Nieren, die Hälfte von Leber und Gehirn, außerdem Magen und Mageninhalt, Dünn- und Dickdarminhalt und schließlich Urin sowie Blut aus Herz- und Schenkelvenen entnommen.
Die nachfolgende Analyse bestätigte dann: Tödliche Vergiftung durch Diäthylbarbitursäure, durch das Schlafmittel Veronal.
Dieses Ergebnis stand für Kriminalisten und Gerichtsmediziner nicht in Widerspruch zu einem Selbstmord von Frau Veith. In einem Gespräch mit Hauptmann Birnbaum wies jedoch Prof. Herold darauf hin, die Akte Gisela Veith noch nicht zu schließen. Es bleibe ihm rätselhaft, warum und von wem Frau Veith vor ihrem Tode intravenöse Injektionen erhalten habe. Obwohl man auch die Haut um die Einstichstellen untersucht hatte, konnte nicht mehr festgestellt werden, welche Substanz gespritzt worden war.
Birnbaum spürte aus Herolds Bemerkung eine leichte Beunruhigung heraus. Ob der Professor einen Selbstmord bezweifele, fragte er.
Der Professor wich aus. Er sei überzeugt, irgend etwas stimme an der Selbstmordversion nicht.
Auch Birnbaum gestand, nicht frei von Misstrauen zu sein. Könnte der Doktor seine Frau vergiftet haben?
Dafür hatte Prof. Herold keine Beweise. Veronal sei sehr bitter. Eine tödliche Menge ließe sich nicht unbemerkt vom Opfer in ein Getränk mischen.
Birnbaum dachte an eine andere Möglichkeit: Man löst die Tabletten in Wasser auf und injiziert die Lösung.
Das hielt der Professor für unwahrscheinlich.
Und da kein anderes Gift nachgewiesen worden war, ließ sich vorerst die Annahme eines Selbstmordes nicht erschüttern. Aber weiterhin schwelte in
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