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Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat

Titel: Mörderische Ärzte: der hippokratische Verrat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Pfeiffer
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unregelmäßige Puls setzt immer öfter aus, bis der Tod durch Atemlähmung eintritt.
    Für Dr. Buchanan war es kein Problem, sich Morphium zu verschaffen. Nur eines machte ihm Sorge: die immense Verengung der Pupillen. Sie sollen sich zwar, so hieß es, kurz vor Eintritt des Todes wieder erweitern. Aber darauf wollte sich Buchanan nicht verlassen. Jeder einigermaßen erfahrene Arzt erkennt an diesem untrüglichen Zeichen die Morphiumvergiftung.
    Er musste also verhindern, dass sich die Pupillen verengten, und dafür, das wusste er als Arzt, gab es ein einfaches Mittel, nämlich Atropin. Augenärzte verwenden es hei der Untersuchung oder Operation der Augen, um die Pupillen zu erweitern.
    Mit diesem Plan ging Buchanan aus Werk.
    Annie starb innerhalb eines Tages. Um sich ein Alibi zu verschaffen, Tief Buchanan einen Arzt, Dr. McIntire, ans Krankenbett. Da war Annie schon im Koma. McIntire versuchte noch eine Behandlung, aber dafür war es zu spät. Die Morphiumvergiftung hatte er nicht erkannt, denn das Atropin verhinderte die Verengung der Pupillen. Als Todesursache vermerkte McIntire auf dem Totenschein: Schlaganfall.
    Annie wurde begraben, und Buchanan erbte ihr Vermögen.
    Soweit hatte er den perfekten Mord vollbracht.
    Und es wäre wie so mancher andere Mord durch ärztliche Hand auch ein perfekter Mord geblieben, wäre der Mörder nicht jener Hybris verfallen, mit der er oft seinen eigenen Untergang auslöst.
    Einige Monate später wurde ein junger Mann, der seine Geliebte mit Morphium umgebracht hatte, zum Tode verurteilt. An diesem Abend, als das Todesurteil in den Zeitungen veröffentlicht wurde, fand sich Dr. Buchanan in seiner Stammkneipe ein, die einem Mann namens Macomber gehörte. Zu später Stunde, nachdem er reichlich getrunken hatte, heizte sich Buchanans Übermut immer mehr an. Er sagte zu Macomber und einem anderen Saufkumpan, die beide an seinem Tisch saßen, jener zum Tode verurteilte Mörder sei ein rechter Tölpel gewesen, denn er habe sich erwischen lassen. Man könne jederzeit einen Menschen mit Morphium töten, ohne dass es jemals herauskomme. Jeder Säure stehe eine Base gegenüber, und für jede Reaktion gebe es eine Gegenreaktion.
    Macomber verstand nicht so genau, was es mit Reaktion und Gegenreaktion auf sich hat. Aber er verstand wohl, was Buchanan triumphierend angedeutet hatte. Und er wäre kein Gastwirt gewesen, hätte er sich nicht ebenfalls mit diesem Wissen gebrüstet. So kam Buchanans Äußerung einem Journalisten zu Ohren, und zwar zufällig demselben, der den ändern Morphiummörder überführt hatte.
    Der Journalist witterte einen neuen Sensationsfall und begann, über Buchanan, sein Leben, seine Frau und ihren Tod zu ermitteln. Er erfuhr sogar, dass Buchanan seiner Frau, während sie schon im Sterben lag, eine Flüssigkeit in die Augen geträufelt hatte. Der Journalist teilte die Schlussfolgerungen aus seinen Recherchen dem Staatsanwalt mit.
    Buchanan wurde verhaftet, Annies Leiche exhumiert.
    Der bekannte New Yorker Toxikologe Prof. Dr. Witthaus lieferte mit Hilfe mehrerer Tests den chemischen Nachweis für eine Morphiumvergiftung. Er untermauerte den Beweis durch zusätzliche physiologische Versuche mit Fröschen.
    Buchanans Verteidiger, Anwalt O'Sullivan, war selbst medizinisch äußerst beschlagen. Er entschloss sich, seinen Mandanten auf die gleiche Weise zu verteidigen, wie ein Jahrzehnt zuvor sein Kollege Williams den Aconitinmörder Lamson verteidigt hatte. Er wollte nachweisen, dass »Leichenalkaloide« chemisch wie Pflanzenalkaloide reagieren. Aber diesen Beweis wollte er nicht mit dem trockenen Gutachten eines Sachverständigen führen, das die Geschworenen sowieso nicht verstehen würden. Er wollte ihn höchst anschaulich führen - durch eine Demonstration, die die Geschworenen selbst miterlebten.
    Dafür suchte sich O'Sullivan einen Verbündeten, den Chemieprofessor Dr. Vaughan, der seit Jahren mit »Leichenalkaloiden« experimentierte und behauptete, dass diese »mit mehr oder weniger Genauigkeit die gleichen Farbreaktionen lieferten« wie die Pflanzenalkaloide.
    Was sich dann während des Prozesses gegen Buchanan abspielte, glich eher einer Variete-Show als einer ernsthaften wissenschaftlichen Beweisführung. Vaughan wusste genau - er hatte es ja selbst eingestanden -, dass animalische und pflanzliche Alkaloide nur »mehr oder weniger genau« ähnliche Farbreaktionen zeigten. Er führte seinen Beweis im Gerichtssaal mit einem üblen Taschenspielertrick vor.

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