Mörderische Aussichten
hockte auf dem Tisch, als ich hereinkam.« Er saß,
ein Bier auf dem Tisch neben sich, in seinem Ruhesessel und las Zeitung. Ihm gegenüber thronte Muffin, aufrecht wie eine ägyptische
Katzenstatuette, und beobachtete jede seiner Bewegungen. »Er ist nicht runtergegangen, als ich es ihm gesagt habe.«
»Das ist eine Sie, und verängstige sie nicht. Sie ist zwangsläufig nervös an einem fremden Ort. Ich werde ihr beibringen,
dass sie nicht auf den Tisch springt.« Ich setzte mich neben Muffin, die postwendend auf den Boden hüpfte und im Flur verschwand.
»Ha.« Fred legte die Zeitung nieder und sah mich an. Nach eingehender Musterung sagte er: »Dein Auge wird blau.«
»Ich weiß. Unten in der Uniklinik fanden sie, ich würde in die Notfallambulanz gehören.«
Fred sah erschrocken aus. »Du warst im Krankenhaus?«
»Um Mary Alice abzuholen.« Ich erzählte ihm von Meemaws Besuch und ihrem Hitzschlag, wie ich mindestens zwanzig Mal das Krankenhaus
umrundet und darauf gewartet hatte, dass Mary Alice auftauchte, und schließlich – hier stiegen mir die Tränen in die Augen –, dass ich für die Hochzeit am nächsten Tag nichts anzuziehen hätte und fürchterlich aussehen würde.
Fred klappte seinen Sessel mit einem dumpfen Geräusch in die Sitzposition, ließ die Zeitung zu Boden fallen und kam zu mir
herüber, um mich in den Arm zu nehmen. »Weine nicht, mein Schatz. Das lässt dein Auge nur noch mehr anschwellen.«
Was natürlich stimmte. Traurig, aber wahr. Ich vergrub meinen Kopf an seiner Brust. Er roch nach Schweiß und Waschmittel und
dem Metall in seinem Warenlager. Ich konnte seinen gleichmäßigen, rhythmischen Herzschlag hören. Ich hätte einschlafen können,
hier und jetzt.
»Lass uns in den Schrank mit den guten Sachen schauen und sehen, was wir finden. Wie wäre es mit dem Kleid, das du zu Debbies
Hochzeit anhattest? Das war hübsch.«
»Das ist zu aufgebrezelt.«
»Dein rotes Kostüm?«
»Zu warm.« Ja, in der Tat, ich hätte wirklich auf der Stelle einschlafen können.
»Komm, lass uns mal nachsehen. Oder wir fahren heute Abend runter ins Einkaufszentrum und kaufen dir was.«
»Okay.« Aber ich hielt ihn noch ein paar Minuten fest, bevor ich zuließ, dass er sich von mir löste.
»Was ist hiermit?« Er zog einen grünen Leinenblazer aus dem Schrank, während Muffin und ich ihn vom Bett aus beobachteten.
»Hast du nicht so einen weißen Rock?«
»Einen eierschalenfarbenen.«
»Das wird gut zusammen aussehen.«
Ich fing an, mich mehr für die Sache zu interessieren. »Und ich habe eine eierschalenfarbene Bluse, fast in demselben gebrochenen
Weiß wie der Rock.«
»Lass uns das mal ansehen.«
Im Nu lag mein Hochzeitsoutfit auf dem Bett.
»Jetzt kannst du mir helfen«, sagte Fred.
»Wie wär’s mit einem Marineblazer und beigen Hosen?« Damit war ich auf der sicheren Seite; das trägt er nämlich immer.
Ich weiß nicht, warum ich dachte, der Abend würde turbulent werden. In Wirklichkeit verlief er völlig ruhig. Ich ging nach
draußen und führte Woofer ein wenig im Garten spazieren, und dann nahm ich ihn mit ins Haus, damit er Muffin kennenlernte.
Die Katze fauchte ein bisschen, als sie Woofer sah, aber ihn selbst hätte nichts weniger stören können, als dass sich eine
Katze in seinem Haus befand. Er trank ein wenig Wasser und trabte dann, sie vollkommen ignorierend, ins Wohnzimmer, um sich
in den Luftzug der Klimaanlage zu legen.
Wir aßen unseren Shrimpssalat und sahen uns das Baseballspiel im Fernsehen an. Gegen neun Uhr rief Haley an, um uns mitzuteilen,
dass sie immer noch tausend Dinge zu erledigen hätte. Ich erzählte ihr nichts von Meemaw.
»Soll ich morgen früh zu dir rüberkommen«, fragte ich, »und dir bei den Vorbereitungen helfen?«
»Vielleicht könntest du ein wenig früher in die Kirche kommen, um zu überprüfen, wie ich aussehe. Wir machen keine große Sache
daraus.«
Aber es war eine große Sache. Eine sehr große sogar, die das Leben von uns allen verändern würde.
»Haley«, teilte ich Fred mit, als ich auflegte. Er nickte, sagte aber nichts. Ein kluger Mann.
Die Braves schlugen San Francisco vernichtend, aber Fred bekam es nicht mehr mit. Irgendwann während dersiebten Spielrunde begann er zu schnarchen. Nach den Zehnuhrnachrichten (das Wetter war die Meldung Nummer eins) weckte ich
ihn, damit er ins Bett ging. Ich dachte, ich würde Schwierigkeiten haben einzuschlafen, aber das gleichmäßige Gesumme
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