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Mörderische Aussichten

Mörderische Aussichten

Titel: Mörderische Aussichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A George
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er war es, der uns fast plattgefahren hat, als wir mit dem Jaguar meiner Schwester auf den Highway einbogen.«
    »Ja, Ma’am. Und er hat sich wirklich furchtbar erschrocken.«
    »Wir uns auch.« Wir schwiegen erneut. Der Duft von Kaffee begann sich von der Küche her auszubreiten. »Wollen Sie mir sagen,
     warum Sie weggelaufen sind?«
    »Ich hatte solche Angst. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Angst.« Sunshine zitterte; offenkundig erzählte
     sie die Wahrheit.
    »Aber was ist denn passiert?«
    Sie zitterte noch mehr. »Kann ich mal Ihre Toilette benutzen?«
    »Den Flur hinunter, erste Tür links. Ich hol den Kaffee.«
    Als sie zurückkam, hatte ich ein Tablett mit Kaffee und dem Rest der Mint-Schoko-Kekse fertig gemacht. Sunshine sah aus, als
     könne sie etwas Zucker gebrauchen. Ich selbst, das wusste ich, brauchte in jedem Fall welchen.
    »Danke, Mrs Hollowell.« Sie schüttete Zucker in ihren Kaffee, rührte um und wandte mir ihren Blick zu. Offensichtlich hatte
     sie mich noch gar nicht richtig angesehen, jedenfalls entfuhr es ihr nun: »Mein Gott, was ist denn mit Ihnen passiert?«
    »Ich bin über einen Truthahn gefallen, den irgendwer vor die Tür meiner Schwester gelegt hat.« Ich betonte das »irgendwer«.
    Aber ich weckte da offenbar keinerlei Schuldgefühle. »Wie konnten Sie denn über einen Truthahn fallen?«, fragte Sunshine mit
     weit aufgerissenen Augen.
    »Ganz einfach. Er war tot und gefiedert, hatte einen aufgeschlitzten Bauch und lag in der Eingangstür.« Ich nahm einen Schluck
     Kaffee, behielt Sunshine aber im Auge. Alte Schullehrerinnen können in einer einzigen Minute erkennen, ob jemand lügt. »Wir
     vermuten, dass das irgendeine Warnung sein sollte.«
    »Wovor?« Sie sah hinreichend perplex aus. Vielleicht hatte sie von dem Truthahn wirklich nichts gewusst.
    »Wir wissen es nicht«, bekannte ich. »Haben Sie vielleicht irgendeine Idee?«
    Sie schüttelte leicht den Kopf. »Das ergibt keinen Sinn. Und Sie sind okay?«
    »Nur ein wenig verbeult.« Wir schlürften unseren Kaffee. Ich aß einen Keks und Sunshine ebenfalls. Die tiefe Stille morgens
     um drei flehte darum, nicht gebrochen zu werden, aber da gab es Fragen, die einer Antwort bedurften. Ich stellte meine Tasse
     auf den Couchtisch. »Sie waren dabei, mir zu erzählen, warum Sie weggelaufen sind.«
    Sunshine stellte ebenfalls ihre Tasse ab. »Ich hatte solche Angst. Dieser Mann, der den anderen Mann umgebracht hat, hat mich
     gesehen. Ich hatte geschlafen, den ganzen Radau gehört, die Schlafzimmertür geöffnet, und da lag er. Der Mann lag auf dem
     Boden, das Messer im Leib« – Sunshine erschauerte   –, »und dieser Typ blickte mir geradewegs in die Augen. Ich dachte, ich wäre als Nächstes dran. Ich konnte ihn an der Tür
     hören, während ich aus dem Fenster kletterte und in Richtung Wald rannte.«
    »Sie haben ihn gesehen?«
    »Er war so nah wie Sie jetzt.«
    »Kannten Sie ihn?«
    »Keine Ahnung, wer er ist. Ich glaube auch nicht, dass er mir gefolgt ist. Ich habe mich dann versteckt und Dwayne angerufen.«
    »Sie haben sich noch Ihr Mobiltelefon geschnappt, bevor Sie durchs Fenster davon sind?«
    »Ja, Ma’am. Und dieses eine Kleid.« Sunshine zog an dem Stoff, als könne sie ihn nicht mehr sehen.
    »Warum haben Sie nicht die Polizei verständigt?«
    »Ich war zu verängstigt. Ich wusste nur, dass ich da rausmusste, und zwar schnell. Ich gehe morgen zu Sheriff Reuse – heute,
     meine ich. Ich hatte mich bereits dazu entschlossen, als Dwayne kam und mir erzählte, dass Meemaw krank sei. Er hat einen
     Teilzeitjob in einer Bar im Süden der Stadt und erst gegen zwei Uhr früh Feierabend.«
    »Wie sah der Mann aus, oder fällt es Ihnen schwer, darüber zu reden?«
    »O nein, Ma’am. Gar nicht.« Sunshine nahm ihre Tasse in beide Hände, als wollte sie diese wärmen. »Er war in den Fünfzigern
     und hatte eine Halbglatze und einen dicken Bauch; man kann ihn aber nicht wirklich als fett bezeichnen, wie das manchmal so
     ist bei Männern. Bekommen einfach einen Bierbauch.« Sie biss sich nachdenklich auf die Unterlippe. »Ich schätze, er war einen
     Meter achtzig groß, und er hatte riesige Hände mit stark hervortretenden Adern, so als wäre er ein Schwerarbeiter.«
    »Er hat ja auch Schwerstarbeit verrichtet«, sagte ich. »Er hat mit einem Schweineschlachtmesser einen Mann aufgespießt.«
    Kaffee schwappte aus Sunshines Tasse auf ihr pinkfarbenesKleid. Sie nahm sich ein Kleenex aus der Schachtel,

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