Mörderische Aussichten
des Schlafzimmers aus blau-weiß gestreiftem Stoff bestand, die Fenster waren
außerdem schmal und hoch. Obwohl Sunshine eine schlanke Figur hatte, wäre es für sie verflixt schwer gewesen, durch eines
dieser Fenster zu klettern, während ihr ein Mörder auf den Fersen war.
Aber warum hatte sie gelogen?
Ich setzte frischen Kaffee auf, goss mir ein Glas Preiselbeersaft ein und ging hinaus, um nach Woofer zu sehen. Er lag so
weit hinten in seinem Iglu, dass ich mich niederknien musste, um hineinzureichen und ihn aufzuwecken.
»Hör zu«, sagte ich, als er nach draußen getrottet kam, »Haley heiratet heute. Ich denke, du solltest ein Bad nehmen und dein
Diamanthalsband anlegen.«
Er wedelte zustimmend mit dem Schwanz.
Woofers Diamanthalsband ist ein Familienwitz. Ein entfernter Verwandter von mir war ohne Testament und direkte Erben verstorben,
weshalb eines Tages aus heiterem Himmel ein Scheck für mich eintraf – mein Anteilam Erbe in Höhe von zweihundertsiebenundfünfzig Dollar. Das gehört mir, dachte ich, ein Geschenk, mit dem ich kaufen kann,
was ich will. Ein neues Kleid, Schuhe, Bücher.
Ich verbrachte einen ganzen Tag mit dem Versuch, das Geld auszugeben. Jedes Mal, wenn ich etwas sah, das mir gefiel, dachte
ich, dass ich womöglich später etwas entdecken würde, was ich noch lieber hätte. Alles, was ich am Ende kaufte, war ein Strasshalsband
für Woofer. Im Wert von zwanzig Dollar. Mary Alice erstand mit ihren zweihundertsiebenundfünfzig Dollar eine wundervolle Vogeltränke
– einen Heiligen Franziskus von Assisi, der die Vögel mit einer ausgestreckten Hand segnet –, die allerdings, wie Schwesterherz schwört, andauernd voll mit Vogelscheiße ist. Die Tränke sieht aber nach wie vor gut
aus in dem Blumenbeet unter ihrem Esszimmerfenster. Ich wollte, ich hätte mir so eine gekauft. Abgesehen von Woofers Diamanthalsband
weiß ich nicht, was mit meinem Geld letztendlich passiert ist.
»Ich bin gleich wieder da«, sagte ich. »Lass mich ein wenig warmes Wasser holen.« Wir baden Woofer in einem Kinderplanschbecken,
und ich nehme dazu gerne lauwarmes Wasser. Er ist schließlich ein alter Hund.
»Was hast du vor?«, fragte Fred, der sich gerade eine Tasse Kaffee eingoss.
»Ich werd meine Woofer-Wasch-Shorts anziehen. Er putzt sich raus, weil heute Haleys Hochzeit ist.«
Fred spähte auf das Außenthermometer. »Und ein weiterer heißer Tag dazu.«
»Du hast es erfasst.« Ich trank meinen Preiselbeersaft aus, der noch immer auf der Küchenanrichte stand.
»Um wie viel Uhr ist Sunshine gegangen?«
»Ich weiß nicht. Sie war schon weg, als ich aufstand.Hat mir ein Ammenmärchen erzählt, dass der Mörder versucht habe, die Schlafzimmertür des Wohnwagens einzutreten, und sie aus
dem Fenster klettern musste.«
»Klingt in meinen Ohren plausibel. Ich würde auch wie der Teufel rennen.«
Ich stellte mein Glas in die Geschirrspülmaschine. »Da gibt es keine Tür.«
Fred blickte von seinem Kaffee auf, in den er gerade Milch goss. »Keine Tür?«
»Meemaws Wohnwagen ist einer von diesen alten, die nur Vorhänge zwischen dem Schlafbereich und dem Wohnraum haben. Und die
Fenster dort sind wahnsinnig klein, Sunshine würde nicht einmal ihre Brüste da durchbekommen.« Ich goss mir eine Tasse Kaffee
ein. »Wenn du mich fragst, hat dieses Mädchen nicht nur eine vorübergehende Bekanntschaft mit einem Schönheitschirurgen gemacht.«
»Wahrscheinlich derselbe, mit dem ihre Mutter bekannt ist.«
»Volltreffer.« Ich grinste Fred an. Manchmal überraschte mich der alte Knabe noch immer.
»Soll ich dir mit dem Hund helfen?«, fragte er mit selbstzufriedenem Blick.
»Nein, lies ruhig die Zeitung. Wenn Mary Alice anruft, sag ihr, dass Sunshine letzte Nacht da war und dass ich sie anrufe,
wenn ich Woofer fertig gebadet habe.«
»Du denkst nicht, dass Sunshine rüber zum Haus von Mary Alice gegangen ist?«
»Nein. Sie ist bei diesem Dwayne-Parker-Bengel. Sie sagte, sie wohne bei einer Freundin von ihm, aber das kaufe ich ihr nicht
ab. Sie sagte auch, dass sie gestern nicht an der Twentieth Street gewesen sei, und da lügt sie ebenfalls.«
»Also wirklich, dieses schamlose Luder!« Fred setzte sich mit der Zeitung an den Küchentisch. Ich streckte ihm die Zunge heraus
und ging mir meine alten Shorts anziehen.
Einen Hund zu baden, ist etwas wirklich Schönes – wenn man das warme Wasser über die eigene Hand und über das Fell des Tieres
rinnen fühlt, wenn er
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