Moerderische Fracht
»sondern genau der springende Punkt. Ein Tanker transportiert flüssige Stoffe, wie Rohöl, Flüssiggas oder andere petrochemische Erzeugnisse, und dem entsprechend ist er gebaut. Schon von weitem kannst du seine Silhouette leicht von der anderer Schiffe unterscheiden. Er hat ein flaches Deck, das außer der Brücke kaum Aufbauten trägt, denn er benötigt keine auf Deck montierten Kräne, bis auf den sogenannten Manifold-Kran. Der ist auf allen Tankschiffen mittschiffs montiert. Mit diesem Kran werden Schläuche von Land an Bord gehoben, um sie mit dem Leitungssystem des Schiffes zu verbinden. Auch diese Anschlüsse sind aus der Entfernung gut zu erkennen.«
Anna nickte.
»Elena und ich haben im Hamburger Hafen von weitem gesehen, wie bei einem die Ladung abgepumpt wurde.«
»Genau«, sagte Meiners, »Tanker haben natürlich Pumpen zum Löschen der Ladung an Bord. Weitere Bestandteile der Schiffstechnik sind die Hauptmaschine mit Nebenaggregaten, Kesselanlage, Hilfsdiesel mit Generatoren für die Stromerzeugung, Tankwascheinrichtungen und, nicht zu vergessen, die Inertgasanlage.«
»Was ist das denn?«, fragte Anna.
»Bei entflammbaren Tankladungen werden die Leerräume der Tanks mit einem Inertgas befüllt, um Schiffsbrände und Explosionen zu vermeiden. Das Inertgas ersetzt die vorherige, sauerstoffhaltige Tankatmosphäre durch fast sauerstofffreies Gas, um so zu garantieren, dass die Ladungsgase sich nicht entzünden können. Und dieses Inertgas wird sehr häufig in einer schiffseigenen Anlage hergestellt.«
Anna pfiff leise durch die Zähne.
»Wozu sind denn diese Kesselanlagen, von denen du gesprochen hast?«
»Zur Beheizung der Ladung. Rohöl wird in erwärmtem Zustand geladen und während der gesamten Transportzeit weiter beheizt, damit man es im Löschhafen überhaupt gescheit abpumpen kann.«
»Eigentlich logisch«, sagte Anna, »werden andere Ladungen ebenfalls erwärmt?«
»Ja«, erläuterte Ole Petersen, der seine Pfeife wieder herausgeholt hatte und andächtig betrachtete, »manche werden sogar regelrecht erhitzt. Zum Beispiel Bitumen, Melasse oder Paraffin. Das ist ja der ursprüngliche Grund, warum überhaupt Doppelhüllentanker konstruiert wurden. Nicht aus Sicherheitsgründen, sondern um Energie und damit Kosten zu sparen. Eine doppelte Hülle bietet eine gute Wärmeisolierung.«
»Aber auch eine höhere Sicherheit gegen das Auslaufen des Transportgutes, oder nicht?«
»Noch vor ein paar Jahren hätte ich diese Frage uneingeschränkt mit Ja beantwortet«, sagte Petersen, »allerdings gibt es bei der Doppelhülle ein äußerst schwerwiegendes Problem. Sie muss als Ballasttank nutzbar sein, um das Schiff, entsprechend der jeweiligen Ladung, trimmen zu können. Als Ballast wird bei Schiffen Seewasser verwendet, das in die entsprechenden Tanks gepumpt wird. Durch dieses Seewasser sind die Innenwände der Hülle einer extremen Korrosion ausgesetzt. Auf Deutsch gesagt, so ein Kahn rostet wie verrückt.«
»Und warum kann man nichts dagegen unternehmen? Kommt man in den Raum zwischen den Hüllen nicht hinein?«
»Doch, es gibt Wartungsluken, und der Abstand zwischen den Hüllen beträgt immerhin zwei bis drei Meter, trotzdem ist es schwierig, weil die Schiffe wegen ihrer verschachtelten Bauweise dem Rost mehr Angriffsfläche bieten. Doppelhüllentanker weisen vom Bug bis zum Heck eine zwei- bis dreimal so große Stahloberfläche auf wie Schiffe mit einfachem Rumpf. Um den Rostfraß zu stoppen, setzen die Werften in erster Linie auf Farbbeschichtungen. Die Lacksysteme halten jedoch selbst bei tadelloser Wartung nicht so lange, wie die Lebenserwartung eines Tankers kalkuliert wird. Außerdem rosten diese Tanker auch schneller als herkömmliche Schiffe. Die chemischen Prozesse werden durch die erhöhten Temperaturen beschleunigt, die dort herrschen. Das erwärmte Öl lagert in den doppelt isolierten Tankern praktisch wie in einer Thermoskanne. Das wiederum heizt die mikrobielle Korrosion an, eine besonders hinterhältige Spielart von Rost, die Schiffswände innerhalb von wenigen Jahren durchlöchern kann. Bakterien lieben Wärme.«
»Wie viel Platz ist denn da unten?«, fragte Anna.
»Na ja, einerseits ist es eng, andererseits ist es ein sehr weitläufiges Areal. Viele Schadstellen können leicht übersehen werden, weil sich die riesigen Hohlräume kaum besichtigen lassen. Die technischen Prüfer der Klassifikationsgesellschaften, welche die Schiffe jedes Jahr in kleinen Teams von vier oder
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