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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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Haar.
    »Was hast du vor?«, fragte ich.
    »Mach mal ein bisschen Platz.«
    Schweigend schlug ich die Bettdecke zurück und rutschte zur Wand. Elena glitt unter die Decke, stützte sich auf ihrem Ellenbogen ab und betrachtete mich nachdenklich.
    »Wenn du mich rausschmeißt, werde ich sehr böse werden«, sagte sie und küsste mich.
    »Kann ich nicht riskieren«, sagte ich undeutlich. Elenas Zunge sabotierte meine Artikulation.
    »Du bist klug für einen Deutschen.«
    »Halbschwede!«
    »Mhm, ja, das schmeckt man.«
    »Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?«
    »Diese dumme Frage kommt von deiner deutschen Hälfte, nicht wahr?«
    »Was ist mit deiner Rippenverletzung?«
    »Peanuts«, sagte sie.
    Als wir später verschwitzt und zittrig nebeneinanderlagen, rückte sie nahe an mich heran und biss vorsichtig in mein Ohr. Ein elektrisierender Impuls jagte mein Rückgrat hinunter und schlug einen Funken in die Hormonkammer, aber Elena schüttelte den Kopf.
    »Lieg still jetzt«, flüsterte sie, »ich muss dir etwas sagen. Als ich am ersten Abend bei dir in der Wohnung war, hat Anna mich gefragt, warum ich gekommen bin. Wegen des Attentats, habe ich gesagt, weil es glaubwürdiger ist, wenn ich diese verrückte Geschichte selbst erzähle, anstatt anzurufen oder eine Mail zu schicken. Und weil ich mir solche Sorgen wegen Jewgeni gemacht habe. Aber das war nur die halbe Wahrheit. Der wirkliche Grund warst du. Ich habe dich nicht mehr aus dem Kopf bekommen seit damals, sosehr ich es auch versucht habe. Ich wollte euch in Ventspils loswerden, weil ich nicht hineingezogen werden wollte in das, was ihr vorhattet. Gleichzeitig habe ich mich verflucht, weil ich so eine dumme, feige Pute war. Und dann warst du tatsächlich weg, und ich stand da in diesem blöden Tourismusbüro mit einem Haufen begriffsstutziger Holländer und hätte schreien können.«
    »Ich wollte dich …«
    »Psst«, sagte Elena und legte ihre Hand auf meine Lippen, »ich bin zuerst dran. Leonid ist jetzt seit sieben Jahren tot. Irgendwann habe ich den Verlust akzeptiert, doch ich habe es für ausgeschlossen gehalten, dass ich mich noch einmal verliebe. Plötzlich knallst du für eine Stunde in mein Leben wie ein Torpedo und verschwindest wieder. Deine Freundin Helen war eine kluge Frau. Anna hat mir von ihrer Grabinschrift erzählt: Auch wenn ein Freund weggeht, muss man die Tü re schließen, sonst wird es zu kalt. Ich muss das von dir wissen. Jetzt gleich! Kannst du diese Tür schließen?«
    Ich lag schweigend da und wartete auf die Stimme in meinem Kopf, die mich so lange begleitet hatte. Da war nichts. Absolute Stille.
    »Ja«, sagte ich.
    »Ich verlasse mich auf dich.« Die reale Stimme an meinem Ohr war ein raues, erregendes Flüstern. »Wenn das hier vorbei ist, zeige ich dir meine Länder. Das klingt gut, nicht wahr? Lettland ist sehr schön, aber Russland ist fantastisch. Das größte Land der Erde. Zwei Kontinente und elf Zeitzonen. Gebirge und Flüsse, Sandstrände und Permafrost, alles im Überfluss. Machst du mit?«
    »Da!«, sagte ich.
    »Sawtra budet lutschsche!«, kicherte Elena leise.
    »So viel Russisch kann ich nicht.«
    »Das heißt: Morgen wird es besser! So hat es immer in der Prawda gestanden, als wir noch die Sowjetunion waren.«
    »Dann muss es wahr sein!«
    »Da!«

Vierundzwanzig
    11. September
    A
    ls ich aufwachte, war Elena weg. Meine Hand schob sich tastend zu der Stelle, wo sie gelegen hatte. Sie war noch warm, und das Bettzeug roch schwach nach ihrem Parfüm. Ich steckte die Nase hinein, atmete tief ein und lauschte auf die Geräusche im Haus. Was immer sie tat, sie war sehr leise. Kein Laut aus dem Bad. Kein Rauschen der Dusche, keine Toilettenspülung. Vermutlich war sie in der Küche und hatte die Tür hinter sich zugemacht, um mich schlafen zu lassen. Wäre nicht nötig gewesen, dachte ich, aber Kaffee wäre schön. Heißer, schwarzer Kaffee, dessen Aroma, wie in der Fernsehwerbung, seinen Weg unter der Türritze hindurch findet. Wie schaffte sie es überhaupt, Kaffee zu kochen, ohne das geringste Geräusch zu verursachen?
    Erschrocken setzte ich mich auf. Mein Blick fiel durch die geöffnete Schlafzimmertür in den schmalen Flur des Ferienhauses. Dort an der Wand hing ein großer Spiegel, und in diesem Spiegel sah ich die Tür zur Küche. Sie stand offen. Es roch nirgendwo nach Kaffee.
    Ich sprang aus dem Bett, knickte mit dem Fuß um und humpelte fluchend ins Wohnzimmer. Auf dem Esstisch lag ein Zettel:
    Bin joggen,

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