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Moerderische Fracht

Titel: Moerderische Fracht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lukas Erler
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jetzt?«
    Er schien noch einen Augenblick mit sich zu ringen, und dann kippte die Stimmung, als wenn ein Schalter umgelegt worden wäre. Auf seinem Gesicht erschien ein freundliches, jungenhaftes Grinsen.
    »Abgemacht!«, sagte er.
    Ich nickte.
    »Soll ich Sie zurückfahren?«, fragte er und deutete mit einem Augenzwinkern auf den Rollstuhl.
    »Nein danke. Reichen Sie mir Ihren Arm, und stützen Sie mich ein wenig. So schaffe ich es bis zum Zimmer.«
    Fürsorglich wie ein freundlicher Zivildienstleistender begleitete er mich über den langen Flur, und dabei streifte sein Blick die weit geöffneten Fenster, durch die ein immer noch warmer Spätsommerwind hereinwehte. Ich sah ihm an, dass er mich am liebsten hinausgeworfen hätte. Er schien zu registrieren, dass ich offenbar seine Gedanken erraten hatte, und lächelte.
    »Vielleicht beim nächsten Mal!«, sagte er.

Sechsunddreißig
    A
    ls wir zu meinem Zimmer zurückkamen, standen Becker und Reimann draußen auf dem Flur und unterhielten sich mit ihren uniformierten Kollegen, die Winter zu meinem Schutz abgestellt hatte. Born verabschiedete sich mit einem knappen Kopfnicken und winkte seinen Kettenhunden, ihm zu folgen.
    »Wir sehen uns!«, sagte er, und damit war der Krankenbesuch vorbei. Ich hätte ihn nicht fünf Minuten länger durchstehen können. Wieder stark schwitzend, ließ ich mich auf der Kante meines Bettes nieder, meine Hände zitterten, und jeder einzelne Muskel meines Körpers schmerzte. Das lange Sprechen, Borns Unberechenbarkeit und Aggressivität und der Rückweg zu Fuß hatten mich so angestrengt, dass ich es kaum schaffte, meine Beine anzuheben und mich hinzulegen.
    Ich schloss die Augen, wartete auf das Nachlassen der Schmerzen und hatte dabei die ganze Zeit das Gefühl, etwas übersehen zu haben.
    Für nichts von all dem, was ich Ihnen erzählt habe, gibt es irgendwelche Beweise – außer für die Bestechlichkeit von Geldorf. Ich hatte den Mund reichlich voll genommen, konnte jedoch keinen Fehler in meiner Argumentation finden, sosehr ich mir auch das Gehirn zermarterte. Den Toten auf dem Hamburger Bahnhofsklo hatte ich Born gegenüber gar nicht erwähnt, denn nach Geldorfs Ermordung und dem Verschwinden der CD aus der Asservatenkammer gab es von diesem Fall keine Verbindung mehr zu mir.
    Die beiden toten Männer in dem alten Bauernhaus in Flandern waren nie zu einem Fall für die belgische Polizei geworden, weil die Entführer am Tatort alle Spuren inklusive der Leichen und Autos beseitigt hatten und die Toten offenbar von niemandem vermisst worden waren. Gab es so etwas?
    Was war mit dem Schrotgewehr, mit dem ich einen der Männer erschossen hatte? Anna hatte es auf der Fahrt nach Antwerpen wie ich wusste in einen der zahlreichen Kanäle geworfen, aber ich hatte keine Erinnerung mehr, wo das gewesen sein mochte. Waren meine Fingerabdrücke auf der Waffe nach mehr als zwei Jahren im Wasser kriminaltechnisch noch nachweisbar? Eher unwahrscheinlich, und dazu musste die Flinte erst einmal gefunden werden. Wenn dies allerdings der Fall war und gleichzeitig die Leiche wieder auftauchte … Quatsch, die war inzwischen verwest. Falls sie nicht jemand eingefroren hatte. Ich zwang mich, den Gedankengang abzubrechen, bevor er sich paranoid verselbständigte.
    Geldorf hatte gewusst, was ich getan hatte, nur, Geldorf war tot. Ebenso wie Jaqueline van t’Hoff, die hätte bezeugen können, was mit Morisaitte geschehen war. Und der hatte gerade eindrucksvoll demonstriert, dass er gewillt war, seine Angelegenheiten ohne die Polizei zu regeln. Wo mochte er jetzt sein? Wusste er mittlerweile, dass ich noch lebte? Ich an seiner Stelle wäre schleunigst aus Deutschland verschwunden, er war hingegen noch genauso arrogant und unberechenbar wie früher, und vielleicht waren die beiden Wachen vor meiner Zimmertür doch nicht ganz verkehrt. Dass er mich hier in Cuxhaven ein zweites Mal angriff, kam mir allerdings ziemlich unwahrscheinlich vor. Es war ein unnötiges Risiko angesichts der zahlreichen Möglichkeiten, die sich später ergeben würden. Morisaitte hatte alle Zeit der Welt. Ich würde niemals sicher sein.
    Außer ich kam ihm zuvor.
    Der Gedanke war einfach da.
    Aus dem Nichts.
    Wie stellst du dir das denn vor?
    Mit Geld. So hat es schon einmal funktioniert.
    Willst du einen Killer engagieren?
    Nenn es, wie du willst!
    Du meinst, jemanden suchen, der ihn aufspürt und ihn für dich umbringt?
    Ich meine, jemanden suchen, der ihn für mich aufspürt. Umbringen

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