Moerderische Idylle
das Beobachtungsprotokoll zu neuen Aufzeichnungen aufzuschlagen. Zuerst erschien ein nackter Mänsson in seiner eigenen Diele und verschwand dann sofort in seinem Badezimmer. Zwei Minuten darauf folgte seine ebenso unbekleidete Besucherin, und offenbar nahmen es beide sehr genau mit der Hygiene, denn es dauerte eine gute Stunde, ehe sie mit einem Badetuch um die Hüfte - Mänsson - beziehungsweise im Schlafrock - die Besucherin - zum Frühstück in die Küche gingen.
Inzwischen war auch Adolfsson auf den Beinen, frisch geduscht und damit beschäftigt, Kaffee und Eier zu kochen, Saft zu verdünnen und Brote zu schmieren, während abermals Bäckström anrief, um sich nach dem Stand der Dinge zu erkundigen.
»Wie sieht’s aus? Lebt sie noch?« Bäckström schien ungewöhnlich kurz angebunden.
»Erfreut sich besten Wohlergehens, wie es aussieht«, bestätigte von Essen. »Derzeit laben sie und ihr Gastgeber sich an Caffe latte, Joghurt mit Haferflocken und Knäckebrot mit sehr viel Grünfutter und einer Scheibe Magerkäse«, fügte er hinzu.
»Pfui Teufel«, sagte Bäckström angewidert. »Einfach krankhaft. Meldet euch, wenn er ihr an den Hals geht.«
Von Essen versprach, das sofort zu tun, im Falle, dass. Danach duschte er selber rasch, während Adolfsson sich um Beobachtung und Notizen kümmerte. Die Aktivitäten in der Wohnung gegenüber konnten nämlich andeuten, dass ihr Objekt im Begriff war, andere und für sie unbekannte Ziele aufzusuchen.
Lewin und seine Helfer hatten sich anderthalb Tage mit dem Versuch beschäftigt, einen Zusammenhang zwischen Bengt Mänsson einerseits und Linda und deren Mutter andererseits zu finden. Das war ihnen nicht gelungen. Obwohl sie alle zugänglichen Register mit aller Sorgfalt, Routine und Spitzfindigkeit, die sie in all den Jahren erlernt hatten, durchgegangen waren, hatten sie nichts gefunden.
Die wahrscheinlichste Schlussfolgerung war niederschmetternd. Es gab ganz einfach keinen Zusammenhang zwischen Arbeitsverhältnissen, Familien, Jugend, Ausbildung oder Wohnung. Es gab auch keine gemeinsamen Netzwerke, Interessen, Hobbys, Freunde und Bekannten, die sie miteinander in Verbindung bringen könnten. Blieben die eher zufälligen Begegnungen und der Trost, dass alle offenbar normale, nette, anständige Menschen waren und sich in der Kleinstadt Växjö früher oder später über den Weg laufen mussten.
Das war aber nur ein kleiner Trost, und Lewin spürte eine wachsende innere Unruhe. Weil alles, was er geglaubt hatte, sich als Irrtum erwies. Wie hätte jemand wie Mänsson gelernt haben sollen, Autos zu knacken und in Gang zu setzen? Wie hätte einer wie er Kontakte in die Drogenszene aufbauen können? Und wie oft fanden sich solche wie er in Fällen wie dem, um den es hier ging? Wo eine fünfzehn Jahre jüngere Frau vergewaltigt, gequält und erwürgt worden war? Der einzige Trost waren von Essens und Adolfssons Berichte über einen gelinde gesagt gierigen sexuellen Appetit. Doch dieses Bedürfnis schien er ja im Rahmen konventionellen sexuellen Verhaltens zu stillen. Einerseits, andererseits, dachte Lewin, vor allem um seine eigene Angst zu lindern.
Gegen fünf Uhr nachmittags meldete sich Bäckström bei Adolfsson und von Essen, und seine erste Frage war, warum die beiden sich nicht bei ihm gemeldet hätten. Von Essen erklärte, es gebe nichts von einer solchen Bedeutung zu berichten, dass sie ihren verehrten Chef zu stören gewagt hätten. Wo er doch sicher sehr viel Wichtigeres zu tun habe.
»Red keinen Scheiß, Essen«, fiel Bäckström ihm ins Wort. »Jetzt sag schon, was der Arsch gerade treibt.«
Nach dem Frühstück hatten Mänsson und seine Besucherin sich angekleidet und einige Sachen in eine Tasche gepackt, was darauf hinweisen mochte, dass sie einen kleinen Ausflug planten, und sei es nur, um die phantastische Natur zu genießen. Als sie dann aber in der Diele gestanden hatten, war plötzlich etwas dazwischengekommen, denn sie hatten einander die Kleider vom Leib gerissen und auf dem Dielenteppich allerlei sexuelle Aktivitäten unternommen. Wie genau die sich gestaltet hatten, war leider unklar, da die Beobachter nur nackte Füße und Beine hatten sehen können.
Diese unerwartete Szene hatte sich dann aber verhältnismäßig rasch beruhigt, und eine Viertelstunde darauf waren Mänsson und seine Besucherin bereits im Auto der Frau losgefahren. Sie hatten beide außerordentlich guter Stimmung gewirkt. Adolfsson und von Essen waren
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