Moerderische Idylle
irgendwelche Unterlagen lese. Manchmal höre ich allerdings auch zu.«
Bengt Mänssons Beziehung zu der vierzehn Jahre jüngeren Linda Wallin. Sie war soeben achtzehn geworden, er war zweiunddreißig, und diesen Altersunterschied gedachte Anna Holt mit keiner Silbe zu erwähnen. Nächste Woche vielleicht, wenn alles so lief, wie sie sich das erhoffte. »Erzählen Sie von Ihrer Beziehung zu Linda«, sagte sie.
Von einer Beziehung könne seiner Meinung nach keine Rede sein. Die Unterschiede zwischen ihnen seien da doch zu groß gewesen. Sie hatten sich einfach getroffen. Vielleicht zwanzigmal in drei Jahren. Anfangs häufiger, später dann immer seltener. Er hatte sie zuletzt im Frühling gesehen, sie hatte ihn angerufen, um ihm zu erzählen, dass sie mit ihrem Freund Schluss gemacht habe. Aber sicher. Er hatte Linda gern gemocht. Sehr gern sogar, und wenn er ganz ehrlich sein sollte, dann war er vorübergehend sogar in sie verliebt gewesen. Anfangs jedenfalls, aber im Hinblick auf alles, was sie trennte, hatte er ihr das nie gesagt.
»Ich habe den klaren Eindruck, dass Linda sehr verliebt in Sie gewesen sein muss«, sagte Holt.
Das sei zweifellos der Fall gewesen, bestätigte Mänsson, was in diesem Zusammenhang aber eher ein weiteres Problem bedeutet habe. Einmal habe sie ihm sogar gestanden, dass sie über ihn in ihrem Tagebuch schrieb, und als er das Tagebuch erwähnte, sah Holt denselben Ausdruck in seinen Augen wie in dem Moment, als sie gefragt hatte, ob Lisa Mattei beim Verhör zugegen sein dürfe.
»Ich weiß«, sagte Holt. »Ich weiß, dass Sie sehr wichtig für Linda waren«, wiederholte sie, ohne weiter darauf einzugehen, woher sie das wissen wollte. »Dann ist da noch etwas, worüber ich nachgedacht habe«, sagte Holt ablenkend, denn sie wollte das Thema Tagebuch so schnell wie möglich fallen lassen. »Ich mochte bisher noch nicht darüber sprechen, aber Sie können einfach Bescheid sagen, und dann reden wir über etwas anderes.«
»Jaaa«, sagte Mänsson. Plötzlich abwartend und auf der Hut.
»Es ist wohl kein Geheimnis, aber jedenfalls habe ich den Eindruck, dass Sie in Bezug auf Frauen ziemlich erfahren sind«, sagte Holt und zuckte mit den Schultern. »Überaus erfahren sogar«, sagte sie und lächelte.
Mänsson wusste, was Holt meinte, mochte das Wort aber nicht. »Erfahren« sei ein hartes und zynisches Wort. In seinem Vokabular fast ein Synonym für erschöpft. Mänsson mochte Frauen, hatte gern mit Frauen zu tun und war gern mit Frauen zusammen. Enge männliche Freunde hatte er nie gehabt, und sie hatten ihm auch nie gefehlt. Aber natürlich. Er war im Laufe der Jahre mit vielen Frauen zusammen gewesen, wenn Holt das so genau wissen wolle. Er mochte Frauen, er fühlte sich in Gesellschaft von Frauen wohl. Frauen machten ihn glücklich und froh, und er fühlte sich bei ihnen geborgen, so einfach war das, und so komisch war das doch wohl nicht.
»Ich finde das überhaupt nicht komisch«, stimmte Anna Holt zu. »Ich verstehe genau, was Sie meinen, aber was mich hier interessiert, ist das mit Linda.«
»Sie meinen, dass sie keine besonderen sexuellen Erfahrungen haben konnte«, sagte Mänsson.
»Genau«, sagte Holt. »Mir geht’s hier um Sex. Ich meine, wie war das, wenn Sie Sex miteinander hatten, Sie und Linda?«
Ganz normaler Sex sei das gewesen, so Mänsson, und überhaupt kein Problem mit einer wie Linda und wenn wir seine Gefühle für sie und ihre für ihn bedenken.
»Normaler Blümchensex«, fasste Holt zusammen.
»Wir waren zusammen, wie man das mit jemandem ist, den man mag und respektiert«, erklärte Mänsson. »Aber von mir aus. Normaler Blümchensex, wenn Ihnen dieser Ausdruck lieber ist.«
Aber alle anderen, fragte Holt. Alle anderen, mit denen er zusammen gewesen war und die viel erfahrener gewesen waren als Linda Wallin. War es auch da nur zu normalem Blümchensex gekommen?
Nicht immer, so Mänsson, aber solange es um freiwillige wechselseitige Aktivitäten zwischen verantwortungsbewussten Erwachsenen ging, war das doch kein Thema. Nicht bei Dingen, die beide wollten, und solange man einander nicht verletzte.
»Da können Sie jede Sexberatungskolumne in jeder Zeitung lesen, dann wissen Sie, was ich meine«, sagte Mänsson.
»Ich weiß es genau«, sagte Holt. »Außerdem sitzen Sie ja nicht deshalb hier im Verhör.«
»Wie meinen Sie das?«
»Das, was Sie eben gesagt haben, über wechselseitige Aktivitäten zwischen
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