Moerderische Idylle
Mänsson.
Bei den ersten Malen war es dabei geblieben. Dann hatte Linda selbst Vorschläge gemacht, und das, ohne etwas zu sagen. Sie hatte in seinem Bett auf dem Rücken gelegen. Sie hatten bereits einmal miteinander geschlafen. Er hatte sie gestreichelt. Plötzlich hatte sie den Gürtel seines Bademantels genommen, ihm den gereicht und ihm die aneinandergepressten Handgelenke hingehalten. Sehr vorsichtig hatte er ihr den Gürtel um die Handgelenke gebunden und sie dann mit den Händen über dem Kopf ans Bettende gefesselt. In vollständigem Schweigen, vollständiger Übereinstimmung, vollständigem Vertrauen von Lindas Seite und mit zwei plötzlich freien Händen für ihren Liebhaber Bengt Mänsson.
»Natürlich macht das einen Unterschied«, sagte Mänsson. »Beim Orgasmus geht es doch um Stimulanz. Um physische und psychische Stimulanz«, fügte er hinzu.
Sie gefesselt? Sicher. Sie geschlagen? Nie. Sie gequält, ohne sie zu schlagen? Nie. Kein einziges hartes Wort war gefallen, so Mänsson. Das mochte Linda nämlich nicht. Sie wollte den Weg des Schweigens gehen, der Verschlossenheit, der geheimen Intimität.
»Verantwortungsfreier Sex, ganz einfach«, erklärte Mänsson. »Man macht, was man will, worüber man aber nicht zu sprechen wagt, und eigentlich ist man es gar nicht selbst, wenn man es macht.«
»Sie haben Sie nie Ihre kleine Nutte genannt«, fragte Holt aus irgendeinem Grund.
Nie, so Mänsson. Einige Male hatte er sie als unartiges kleines Mädchen oder so ähnlich bezeichnet, aber das war immer als Scherz gemeint, mit einem Lächeln auf den Lippen, und Linda hatte immer verstanden, dass es nur ein Spiel sein sollte.
»Sie haben nur so getan, als ob«, sagte Holt.
»Wenn Ihnen das lieber ist«, sagte Mänsson, und seine Stimme klang plötzlich starr.
»Was sagst du dazu, Lisa«, fragte Holt nach dem Verhör.
»Seufz«, sagte Mattei. »Warum fragst du eine Beinaheunschuld nach so was? Warum glaubst du, dass so viele ganz normale Frauen starken Männern nachlaufen? Und warum sie fast immer im Bett von Typen wie Mänsson landen? Mänsson ist ja wohl kein Mann. Der ist fast nicht mal ein Mensch.«
»Was ist er dann«, fragte Holt.
»Eine Art sexueller Instrumentalist, wenn du mich fragst. Ich meine… wie toll kann es sein zu erfahren, dass psychische und physische Stimulanzien beim Sex wichtig sind? Wie unerfahren muss man denn sein, um nicht zu begreifen, dass genau das seine Masche ist? Und wie scharf bist du noch, wenn du entdeckst, was da läuft?«
»Klingt nicht gerade toll«, stimmte Holt zu.
»Das Interessante, wenn du mich fragst, und außerdem der einzige Grund, warum wir hier sitzen und Herrn Mänsson zuhören, ist wohl das, was in der Situation, der er sich fast nie zu stellen brauchte, weil die Mädels ihm immer seinen Willen getan haben, in seinem Kopf abläuft?«
»Und welche Situation ist das?«, fragte Holt.
»Die folgende«, sagte Mattei. »Er ist von Anfang an frustriert. Jetzt hat er nur einen Gedanken. Abspritzen und vergessen, wie viele Jungs das so romantisch ausdrücken. Aber die, mit der er zusammen ist, durchschaut ihn und will nicht mehr mitmachen. Und er selbst kapiert, dass sie ihn durchschaut. Und so fühlt er sich also auch noch lächerlich.«
»In dieser Situation ist Bengt Mänsson vermutlich kein angenehmer Gesellschafter mehr«, meinte Anna Holt.
»In dieser Situation erwürgt er Linda Wallin, und das wird er niemals zugeben.«
»Nicht einmal sich selbst gegenüber?«
»Nicht einmal dir oder mir gegenüber«, sagte Mattei.
»Hast du einen Tipp?«, fragte Holt.
»Reiß ihn in Stücke«, riet Mattei und lächelte hold. »Dann wird er es zwar auch nicht zugeben, aber ich würde es zu schätzen wissen. Ich glaube, mir ist noch nie ein so egozentrischer, langatmiger und einfältiger Mörder über den Weg gelaufen wie er.«
87
Geduld, Genauigkeit und Kreativität zeichneten nicht nur Lewin aus, sondern auch seine engsten Mitarbeiter. Deshalb war ihre erste Darstellung von Bengt Mänssons Hintergrund bereits fünf Tage nach seiner Festnahme fertig.
Fünfunddreißig Jahre alt. Geboren im Allgemeinen Krankenhaus von Malmö, an einem schönen Sonntagmorgen im Mai, als der Sommer zum ersten Mal in diesem Jahr Anstalten machte, sich in Schonen dauerhaft einzurichten. Das erste Kind einer alleinstehenden Mutter von dreißig Jahren, Vater unbekannt. Möglicherweise ließ sich dadurch auch der vage ethnische Hinweis im DANN-Profil des
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