Moerderische Idylle
verstehe ich, und wenn ich mehr wissen will, kann ich ja einfach die Abendzeitungen lesen. Ihr wollt euch Lindas Zimmer ansehen? Hier ist der Schlüssel«, fügte er hinzu und reichte ihn Enoksson. »Die letzte Tür auf der Seeseite in dem Gang da«, sagte er und zeigte die Richtung mit einer Kopfbewegung. »Schließt ab, wenn ihr geht, und den Schlüssel will ich zurück.«
»Du hast nicht…« setzte Olsson an.
»Wenn ihr mit mir reden wollt, dann bin ich im Büro«, sagte Henning Wallin kurz.
»Genau das wollte ich dich fragen«, sagte Olsson. »Du hast nicht zwei Minuten Zeit?«
»Zwei Minuten«, sagte Wallin. Schaute aus irgendeinem Grund auf die Uhr und stieg die Treppe zum oberen Geschoss hoch, ohne sich umzusehen, während Olsson zwei Schritte hinter ihm herging.
Lindas Zimmertür war abgeschlossen. Höchstwahrscheinlich von ihrem Vater, der ihnen den Schlüssel gegeben hatte. Die Vorhänge vor den beiden Fenstern zum See waren vorgezogen, und das Zimmer lag im Halbdunkel.
»Was hältst du davon, die Vorhänge zu öffnen«, schlug Enokssons Kollege vor.
»Machen wir, dann kriegen wir keinen Ärger mit dem elektrischen Licht«, entschied Enoksson. Denn hier ist schon aufgeräumt und geputzt worden, dachte er.
»Linda hat um einiges mehr Platz gehabt als alle meine Kinder zusammen«, stellte der Kollege fest, als er die Vorhänge geöffnet hatte und Licht in das große Zimmer fiel. »Und sie scheint auch Ordnung gehalten zu haben«, fügte er hinzu. »Im Zimmer meiner ältesten Tochter sieht es jedenfalls nicht so aus.«
»Nein«, sagte Enoksson. »Der Vater hat offenbar eine alte Haushälterin, und vielleicht sollten wir mit der sprechen.« Nicht nur sehr gut aufgeräumt, dachte er. Das breite Bett konnte sehr wohl frisch bezogen sein, die Ordnung auf Lindas Schreibtisch war fast minutiös. Die Sofakissen waren arrangiert wie in einer Einrichtungsreportage in einer Zeitung. Das hier ist nicht mehr Lindas Zimmer, dachte Enoksson. Das ist ein Mausoleum zu ihrem Gedächtnis.
»Na, habt ihr etwas Interessantes gefunden«, fragte Olsson, als sie zwei Stunden darauf in ihren Dienstwagen stiegen, um zum Polizeigebäude zurückzufahren.
»Wie meinst du das?«, fragte Enoksson.
»Ja, persönliche Dinge, meine ich«, sagte Olsson vage. »Tagebuch scheint sie nicht geführt zu haben, meint ihr Vater. Seines Wissens jedenfalls nicht«, fügte er noch hinzu.
»Nein, nicht dass er davon gewusst hätte«, sagte Enoksson. »Das habe ich auch verstanden.«
»Und ich kann mir nicht vorstellen, dass er in dieser Hinsicht lügt«, sagte Olsson. »Vermutlich ist es eben so, dass sie einfach kein Tagebuch hatte. Ich habe zwei Kinder, und keins davon führt Tagebuch. Habt ihr übrigens ihren Computer überprüft?«
Wie bringt er das bloß über sich, überlegte Enoksson.
»Dohoch«, sagte sein Kollege, da Enoksson die Frage nicht gehört zu haben schien. »Wir haben ihren Computer überprüft. Wir haben nach Fingerabdrücken gesucht und uns ihre Festplatte angesehen, da kannst du ganz beruhigt sein.«
»Und habt ihr also etwas Interessantes gefunden«, beharrte Olsson.
»Im Computer, Chef?«, fragte Enokssons Kollege und lächelte, da Olsson sicher verwahrt auf dem Rücksitz des Autos saß.
»Ja, ich meine in ihrem Computer«, sagte Olsson.
»Nein«, sagte Enoksson. »Auch da nicht. Entschuldige mich bitte einen Moment, Bengt«, sagte er und zog sein Telefon hervor, um seine Frau anzurufen, vor allem aber, um seinen Chef zum Schweigen zu bringen.
»Na, Enok«, sagte Bäckström und nickte Enoksson auffordernd zu. »Hast du ein Tagebuch gefunden?«
»Nö«, antwortete Enoksson und lächelte müde.
»Und ihr Papa glaubt auch nicht, dass sie eins hatte«, sagte Bäckström.
»Seine eigenen Worte«, erklärte Enoksson. »Er hat vorgeschlagen, dass wir Lindas Mama fragen. Er selbst hat das nicht vor. Seit der Scheidung vor zehn Jahren hat er kaum guten Tag zu ihr gesagt, und vorher haben sie sich meistens gestritten.«
»Tja«, sagte Bäckström voller Gefühl. »Weiber können aber auch ungeheuer nervig sein.«
»Meine Frau nicht«, sagte Enoksson und lächelte. »Sprich du also für dich, Bäckström.«
Ja, wer sollte sonst für mich sprechen, dachte Bäckström.
Am Nachmittag hatte die Personalabteilung aus Stockholm bei Bäckström angerufen. Denn da Wochenende war, wollten sie daraufhinweisen, dass Bäckström und Rogersson die ihnen zugemessene Überstundenzahl fast schon überschritten
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