Mörderische Kaiser Route
zugeschickt.
Der Inhalt und der Stil des Berichts waren nicht unbedingt mein Fall. Bahn war etwas zu voreilig mit seinen Schlüssen, zu hektisch mit seiner Sprache und nahm es nicht immer so genau mit der Grammatik. Auch er praktizierte den rheinischen Genitiv, der den Rheinländern ebenso wenig auszutreiben ist wie den Öchern das „Ich hab kalt.“ Ich wurde immer nur verständnislos angestarrt, wenn ich jemanden auf diese Fehler hinwies.
Aufschlussreicher als der Text war das illustrierende Foto, ein Abzug aus dem Film des Fernsehreporters. Beim ersten Anblick traute ich meinen Augen kaum, beim zweiten hatte ich noch kleine Zweifel, beim dritten war es eindeutig: Zur Schar der Gaffer gehörten auch Karl Schlingenhagen und die Dicklippe, die neben ihm in der zweiten Reihe stand.
Um auf Nummer sicher zu gehen, lief ich zu Schulz, der gerade dabei war, auf seinem Computer ein chinesisches Kombinationsspiel zu bewältigen. Er solle den Drachen lassen, wo er ist, raunzte ich ihn an und sich das Bild ansehen. Ich beobachtete Dieter, wie er den Zeitungsausschnitt mit zusammengekniffenen Augen betrachtete. Dann fiel endlich auch bei ihm der Groschen. „Wenn mich nicht alles täuscht, ist der Typ im Hintergrund unser Spezi Schlingenhagen.“ Dieter betrachtete die Fotografie noch einmal intensiv. „Und der Kerl daneben, das könnte die Dicklippe sein.“
„Das könnte nicht die Dicklippe sein, das ist die Dicklippe“, verbesserte ich ihn schnell, „für mich steht das eindeutig fest.“ „Was machen die da?“, fragte Dieter mich verblüfft. War er begriffsstutzig oder wollte er mich testen?
„Die waren rein zufällig in der Gegend, als der Zottelbär Münstermann in der Rur abgesoffen ist“, antwortete ich ironisch, „derselbe Ferdinand Münstermann, mit dem Karl Schlingenhagen rein zufällig in das Hotel in Fröndenberg an der Ruhr gekommen ist.“ Er blicke nicht durch, bekannte mein Freund freimütig und ich wollte ihm nicht widersprechen. „Ich glaube, Karl der Große hat uns einiges zu erklären.“
„Uns oder der Polizei?“
Das käme doch aufs Gleiche aus, meinte ich und griff zum Telefon, um Böhnke zu informieren. Zugleich gab ich Sabine den Auftrag, den Zeitungsbericht ins Polizeipräsidium zu faxen. Böhnke war unterwegs, wie ich verärgert erfuhr. Immer, wenn ich ihn brauchte, war er nicht im Büro, schimpfte ich und ließ mich nur wenig trösten durch die Zusicherung, er würde nach seiner Rückkehr selbstverständlich zurückrufen.
Problemlos bekam ich meine Verbindung zum Dürener Tageblatt. Bahn hatte anscheinend schon auf meinen Anruf gewartet. „Können Sie mit dem Artikel etwas anfangen? Der ist gut, was?“, fragte der Journalist von sich überzeugt. Über die Qualität wollte ich mich nicht mit ihm streiten.
„Ist es möglich, den kompletten Videofilm zu bekommen oder wenigstens den Ausschnitt mit den Gaffern?“, fragte ich stattdessen, nachdem ich mich übertrieben höflich für den Brief bedankt hatte.
„Warum?“ Bahn witterte offenbar eine neue Geschichte. Da war er nicht anders als der AZ-Reporter, der stets bei unpassenden Gelegenheiten an meinem Rockzipfel hing und der auch immer alles ganz genau wissen wollte. Es waren wohl beide geborene, eingefleischte Journalisten mit Druckerschwärze statt Blut in den Adern.
„Weil darauf einige Kerle abgelichtet sind, mit denen ich mich gerne einmal unterhalten möchte“, antwortete ich ausweichend. Bahn hakte nach: „Sie oder die Polizei?“
Ich stöhnte.
„Ich“, sagte ich, „es handelt sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit, in die einer der Schaulustigen involviert ist.“
Das Fremdwort schreckte den Journalisten nicht. Er lachte auf: „Auch ein Verbrechen kann eine privatrechtliche Seite haben.“
„Ich werde Sie sofort benachrichtigen, wenn sich aus der Geschichte etwas ergibt, das die Öffentlichkeit interessieren könnte“, versprach ich ihm. Bahn zögerte.
„Ob etwas die Öffentlichkeit interessiert oder nicht, möchte ich entscheiden. Ich lasse mich nicht gerne bevormunden.“ Er machte eine kurze Pause. „Außerdem wollen Sie etwas von mir, nicht ich von Ihnen.“ Wieder legte er eine Pause ein.
Auch ich schwieg, weil ich nicht wusste, was ich hätte erwidern sollen.
„Ich werde bei Ihnen eine Ausnahme machen, Herr Grundler“, meldete sich Bahn endlich wieder. „Ich versuche, für Sie noch heute eine Kopie zu besorgen, werde aber gleichzeitig auf eigene Faust versuchen, herauszubekommen, für
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