Moerderische Kuesse
ist.«
»Dann geht es besser voran, als ich angenommen hatte, wenn man bedenkt, wie viel ihm verloren gegangen ist.« Ein Zwischenfall in Vincenzos Labor hatte sein derzeitiges Forschungsprojekt weit zurückgeworfen.
»Er und seine Leute arbeiten praktisch rund um die Uhr.«
Und würden noch länger arbeiten, falls Rodrigo feststellen sollte, dass sie in Verzug gerieten. Das Impfserum war zu wichtig, als dass Vincenzo den Einführungstermin platzen lassen durfte.
»Halte mich auf dem Laufenden«, bat Damone. Sie hatten vereinbart, dass sie sich sicherheitshalber nicht mehr sehen würden, bis der Attentäter identifiziert und ausgeschaltet war.
Er drehte sich noch einmal um und blickte auf das frische Grab, und in seinen dunklen Augen stand der gleiche Kummer und Zorn, der auch Rodrigo peinigte. »Ich kann es immer noch nicht glauben«, sagte er fast unhörbar.
»Ich weiß.« Die beiden Brüder umarmten sich, ohne sich ihrer Gefühle zu schämen, und stiegen dann in verschiedene Autos, um getrennt zu ihrem Privatflughafen zurückzufahren, von wo aus jeder in einem eigenen Firmenflugzeug nach Hause fliegen würde. Rodrigo hatte aus dem Treffen mit seinem jüngeren Bruder, aus dem Zusammensein mit seinem einzigen noch lebenden Angehörigen, neue Kraft geschöpft.
Obwohl
sie
aus
einem
so
traurigen
Anlass
zusammengekommen waren, hatte ihnen die brüderliche Nähe Trost gespendet. Jetzt kehrten beide in ihre miteinander verwobenen und gleichzeitig eigenständigen Imperien zurück, Damone, um ihre Gelder zu mehren, Rodrigo, um ihren ermordeten Vater zu rächen. Rodrigo wusste genau, dass Damone ihn bei allen Schritten, zu denen er sich entschloss, unterstützen würde.
Trotzdem war nicht daran zu rütteln, dass er auf der Suche nach dem Mörder seines Vaters noch keinen Millimeter vorangekommen war. Vincenzo war immer noch damit beschäftigt, das Gift zu analysieren, weil ihnen das Aufschluss über seine Herkunft geben könnte, während Rodrigo seine Rivalen im Auge behalten hatte, ob sich einer von ihren irgendwie anders verhielt als sonst und dadurch erkennen ließ, dass er von Salvatores Tod wusste. Man hätte meinen können, dass ihre weniger gesetzestreuen Geschäftspartner am ehesten zu einem Mord fähig waren, aber Rodrigo nahm niemanden von seinem Verdacht aus. Möglicherweise steckte sogar jemand aus ihrer eigenen Organisation oder jemand aus der Regierung hinter dem Attentat. Salvatore hatte von vielen Tellern genascht, und ganz offenbar war jemand gierig geworden und hatte seinen Teller lieber für sich allein haben wollen. Rodrigo musste nur noch herausfinden, wer das war.
»Bring Mademoiselle Morel nach Hause«, befahl Rodrigo seinem Fahrer Tadeo, nachdem sie eine Woche bei ihm gewesen war. Inzwischen konnte sie sich besser auf den Beinen halten, und obwohl sie so gut wie nie aus ihrem Zimmer kam, war ihm nicht wohl dabei, eine Fremde unter seinem Dach zu beherbergen. Schließlich war er immer noch damit beschäftigt, seine Position zu festigen – leider hatten einige Leute gemeint, er könne seinem Vater nicht das Wasser reichen, und sich deshalb berufen gefühlt, Rodrigos Autorität anzuzweifeln, woraufhin er sich berufen gefühlt hatte, ihre Zweifel unwiderruflich auszuräumen –, und es geschahen Dinge, die kein Fremder mitbekommen sollte. Er würde sich besser fühlen, wenn sein Haus wieder ein sicherer Hafen war.
Es dauerte nur wenige Minuten, bis der Wagen vorgefahren war und die Frau und ihre wenigen Habseligkeiten eingeladen waren. Nachdem Tadeo mit der Französin abgefahren war, verschwand Rodrigo in Salvatores Arbeitszimmer – jetzt seinem eigenen Arbeitszimmer – und setzte sich hinter den ausladenden, reich gedrechselten Schreibtisch, den Salvatore so geliebt hatte. Vor ihm lag Vincenzos Bericht über das Gift, das er aus dem Bodensatz der aus der Altglastonne geborgenen Weinflasche extrahiert hatte. Rodrigo hatte den Bericht kurz überflogen, als er ihn vorgefunden hatte, aber jetzt nahm er ihn noch einmal in die Hand und studierte ihn gründlich und in allen Einzelheiten.
Vincenzo zufolge handelte es sich um ein synthetisch erzeugtes
Gift.
Es
zeigte
typische
Merkmale
des
Orellanin‐Giftes, das im orangefüchsigen Rauhkopfpilz vorkam, weshalb der Arzt anfänglich auf eine Pilzvergiftung getippt hatte. Das Orellanin griff verschiedene innere Organe gleichzeitig an, vor allem Leber, Nieren, Herz und Nervensystem, und war berüchtigt für seine verzögerte Wirkung.
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