Moerderische Kuesse
ich vor Ihnen wieder hinaus, und wenn sie hinterher immer noch auf ihrem Posten stehen, wissen Sie, dass alles geklappt hat.«
»Ach, wie aufregend!«
Lily hoffte auf das Gegenteil.
Die Frau nahm die Tasche an sich und verließ das Flugzeug kurz vor Lily. Sie ging schnell, den Blick fest auf die Schilder und weniger auf die Menschen hinter der Absperrung gerichtet. Braves Mädchen, dachte Lily und verkniff sich ein Lächeln. Ein echtes Naturtalent.
Zwei Männer warteten bereits auf sie, und auch hier gaben sie sich kaum Mühe, ihr Interesse an Lily zu verbergen.
Schadenfreude erblühte in ihr. Rodrigo hatte immer noch keinen Verdacht geschöpft, er glaubte immer noch nicht, dass es ihr auffallen würde, wenn man sie verfolgte. Vielleicht klappte ihr Plan ja tatsächlich.
Die beiden Männer schlenderten ihr im Abstand von gut zehn Metern hinterher. Weiter vorn bog ihre Verbündete in die erste öffentliche Toilette ein. Lily blieb kurz an einem Wasserspender stehen, damit ihre Verfolger Zeit hatten, Position zu beziehen, und folgte ihr dann.
Die Frau wartete gleich hinter der Tür und überreichte ihr sofort die Umhängetasche. »Hat er jemanden geschickt?«, fragte sie atemlos.
Lily nickte. »Sie sind zu zweit. Einer ist etwa einen Meter achtzig groß, eher untersetzt und trägt einen grauen Anzug. Er lehnt genau gegenüber der Tür an der Wand. Der andere ist kleiner, hat kurze dunkle Haare, trägt einen zweireihigen blauen Anzug und steht etwa fünf Meter weiter vorn.«
»Ziehen Sie sich schnell um. Ich kann es kaum erwarten.«
Lily verschwand in einer Kabine und wechselte hastig ihre Identität. Das strenge dunkle Kostüm und die flachen Schuhe verschwanden; sie wurden ersetzt von einem knallrosa Tanktop,
grell
gemusterten
türkisfarbenen
Leggings,
kniehohen
Stiefeln
mit
Stilettoabsätzen,
einem
fransenbesetzten,
türkisfarbenen
Jäckchen
und
einer
rothaarigen Stachelhaarperücke. Sie stopfte die ausgezogenen Sachen in die Tasche und trat wieder aus der Kabine.
Ein breites Lächeln erstrahlte auf dem Gesicht ihrer Verbündeten,
und
sie
klatschte
begeistert
Beifall.
»Unglaublich!«
Lily musste unwillkürlich grinsen. Mit ein paar schnellen Strichen trug sie etwas Rouge auf ihre fahlen Wangen auf, deckte die Lippen mit dickem rosa Gloss ab und steckte sich gefiederte Kreolen durch die Ohrläppchen. Nachdem sie eine rosa Sonnenbrille aufgesetzt hatte, sagte sie: »Und wie finden Sie es?«
»Nicht einmal ich hätte Sie wieder erkannt, und ich wusste immerhin, was Sie vorhatten. Ich heiße übrigens Rebecca.
Rebecca Scott.«
Sie gaben sich die Hände, beide aus unterschiedlichen Gründen hocherfreut. Lily atmete tief durch. »Dann mal los«, murmelte sie und stolzierte hoch erhobenen Hauptes aus der Toilette.
Beide Beschatter starrten sie unwillkürlich an – genau wie jeder andere Mann. Lily schaute knapp an dem Dunkelhaarigen im Gang vorbei und winkte enthusiastisch.
»Hallihallo!«, jubelte sie niemand Bestimmtem zu, was in dem Gedränge aber nur schwer zu überblicken war. Diesmal sprach sie mit unüberhörbarem amerikanischem Akzent, und dann eilte sie an ihren Verfolgern vorbei, als wolle sie jemanden begrüßen.
Als sie an dem Dunkelhaarigen vorbeistürmte, bemerkte sie, dass er erschrocken wieder zur Toilettentür hinsah, so als fürchte er, sein Opfer könnte in diesem kurzen Moment der Unaufmerksamkeit entwischt sein.
Lily ging, so schnell sie konnte, bis sie in der Menge untergetaucht war. Auf ihren Zehn‐Zentimeter‐Absätzen war sie fast einen Meter achtzig groß, aber diese Schuhe würde sie nur so lange wie unbedingt nötig tragen. Kurz vor ihrem Abfluggate ging sie in die nächste Toilette und legte die auffällige Verkleidung wieder ab. Als sie erneut herauskam, hatte sie lange schwarze Haare und trug schwarze Jeans zu einem schwarzen Rollkragenpullover, und an den Füßen hatte sie die gleichen flachen Schuhe wie während des Hinfluges.
Den rosa Gloss hatte sie abgewischt und durch roten Lippenstift ersetzt, und der rosa Lidschatten war grauem gewichen. Die Papiere auf den Namen Alexandra Wesley lagen tief unten in ihrer Tasche, denn das Ticket und der Pass in ihrer Hand lauteten auf den Namen Mariel St. Clair.
Kurz darauf saß sie in einem Flieger zurück nach Paris, diesmal allerdings in der Economy‐Klasse. Erleichtert ließ sie den Kopf an die Rückenlehne sinken und schloss die Augen.
So weit, so gut.
5
Rodrigo tobte. Gefährlich leise fragte
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