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Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten

Titel: Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sutton Verlag GmbH
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Friedrich von Kahlbutz wurde 1651 hier im brandenburgischen Kampehl geboren«, sagte er und versicherte sich mit einem Blick der ungeteilten Aufmerksamkeit der Besuchergruppe. »1702 wurde er beigesetzt, doch sein Leichnam«, er senkte seine Stimme, »verwest bis heute nicht.«
    Holbein beobachtete den Jungen aus den Augenwinkeln. Jetzt hielt der Racker seine Hand hinter dem Rücken versteckt, sah sich verstohlen in dem Gemäuer um, machte einen schnellen Schritt auf den Sarg mit dem gläsernen Deckel zu. Was nun kommen würde, kannte Holbein zur Genüge: Der Bengel würde seinen Kaugummi irgendwo an der Unterseite ankleben. Während Holbein überlegte, wie er dieses Attentat noch kurzfristig verhindern könnte, riss der Junge plötzlich die Arme in die Luft und brach in schallendes Gelächter aus.
    Ein heller Klumpen löste sich mitten in der Bewegung von der Hand des Jungen, Holbein konnte die Flugbahn allerdings nicht zu Ende verfolgen, denn nun kreischte der Junge los: »Kahlbutz trägt ja eine Sonnenbrille. Wie cool ist das denn?«
    Für einen kurzen Moment wurde es still. Holbein stand mit offenem Mund vor der Zuhörerschar, die ihn verdutzt ansah.
    Leises Flüstern setzte ein, wurde lauter, erste hysterische Aufschreie waren zu hören. Zwischen den kahlen Wänden des Gemäuers schaukelte sich das Echo der durcheinanderkreischenden Menschen immer weiter auf, schließlich brüllte ein Mann: »POLIZEI.«
    So etwas hatte Holbein noch nicht erlebt. Was für ein Durcheinander in seiner heiligen Gruft. Sonnenbrille, so ein Quatsch, dachte er. Vorhin hatte er doch selbst den Ritter in Augenschein genommen. Oder hatte er das heute vergessen, weil ihn die Sache mit dem verschwundenen Auto so beschäftigte?
    »Ruhe!«, rief er und als niemand reagierte, drängelte er sich zwischen den Besuchern hindurch zum Sarg. »Sehen Sie, das sind nur die Augenhöhlen, zusammen mit den Lichtreflexen auf der Glasscheibe   –«, setzte er an, stockte dann abrupt, stützte sich mit den Händen links und rechts auf dem Rahmen des Glasdeckels ab und brachte sein Gesicht dicht vor die Scheibe.
    »Das gibt es nicht«, flüsterte er, und das Glas beschlug unter seinem Atem. »Das ist   … Das bin ja ich.« Er drückte sich vom Sargdeckel hoch, richtete sich schwankend auf. Für zwei Sekunden stand er, unsicher und mit wirrem Blick. Dann versagten seine Beine und er kippte nach vorne über.
    Aus der Besucherschar löste sich ein Mann, machte zwei schnelle Schritte auf Holbein zu und fing ihn gerade noch rechtzeitig auf. Das Letzte, was Holbein sah, war der helle Kaugummi, der auf dem linken Brillenglas des Mannes klebte, dann versank die Krypta in Dunkelheit.
     
    »Er stinkt.« Oskar verzog das Gesicht, drehte seinen Kopf kurz in Richtung Rückbank, auf der Bruno eingeklemmt zwischen Fahrersitz und dem auf Liegeposition gebrachten Beifahrersitz hockte.
    Mit der einen Hand stabilisierte Bruno den lederartigen Körper auf dem Vordersitz, mit der anderen machte er eine wedelnde Bewegung in Richtung Frontscheibe. »Guck nach vorne. Ich will nicht an so einem blöden Alleebaum landen.«
    »Er stinkt trotzdem.« Oskar wandte seinen Blick zurück auf die Straße. »Ich mache jetzt wenigstens ein Fenster auf.«
    »Das lässt du schön bleiben, du Vollpfosten. Nachher reißt ein blöder Windstoß dem Typen noch die Haut vom Gesicht, oder womöglich den ganzen Kopf runter. Und dann«, Bruno reckte sich so weit empor, bis er Oskars Augen im Rückspiegel sehen konnte, »…   und dann können wir die große Kohle vergessen, und die Reste von ihm höchstens als Hundebeißknochen verscherbeln.«
    Mit lautem Gehupe zog ein moderner Traktor am Seitenfenster vorbei und scherte haarscharf vor ihnen wieder ein. Das war sicher schon das zehnte landwirtschaftliche Fahrzeug, das sie auf der kurzen Fahrt überholt hatte, leider nicht zu ändern, denn der Wagen fuhr einfach nicht schneller. Gestern, als sie ihn vor dem kleinen Haus in Kampehl entwendet hatten, war ihnen das »25«-Schild auf dem Kofferraum nicht aufgefallen.
     
    Als Ludger Holbein die Augen aufschlug, hatte er den Eindruck, in dunkler Nacht irgendwo draußen in der Feldmark zu liegen. Beine und Rücken fühlten sich eiskalt an, und über ihm hing ein blasser Mond am sternenlosen Himmel.
    »Hallo, aufwachen«, sagte der Mond.
    Holbein blinzelte, sah, dass der Mond eine Brille trug, und nach einem weiteren Blinzler konnte er auch die Augen dahinter erkennen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte der

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