Mörderische Landschaften - Kriminelles aus dem Osten
das ist über zwanzig Jahre her, seit wir zuletzt hier waren.«
Petra nickte. »Jetzt kannst du hier reiten, und überhaupt ist mehr los. Morgen wollen wir nach Dabel. Kennst du das noch? Da steht doch diese Mühle, aus der sie immer im Radio die Plappermöhl gesendet haben.«
»Ich kann kein plattdeutsch«, sagte Grit. »Hab’ das nie gehört. Aber ich würde mitkommen, klar.«
Später lag sie auf dem Bett und starrte zum verdunkelten Fenster. Sie ließ den Abend Revue passieren, hörte in Gedanken noch einmal das Lachen, mit dem Inga seit jeher die Männer in ihren Bann geschlagen hatte.
Und dann fiel ihr der Kochtopf wieder ein. Plötzlich wusste sie, was sie tun würde.
»Du willst echt nicht mitkommen?«, fragte Erik am nächsten Morgen.
»Ich geh’ Pilze suchen. Ich hab’ so große Lust dazu. Da muss ich früh los, sonst kommen mir andere Sammler zuvor. Sag Petra, ich nehm’ ihr Fahrrad. Die schläft noch. Viel Spaß in Dabel!«
Erik schaute sie verwundert an. »Ich dachte, du hattest keine Lust, Pilze einzuwecken.«
»Das mit dem Einwecken stimmt«, sagte Grit. »Aber ich liebe das Sammeln. Und Petra hat ja extra die Gläser mitgebracht. Fährt Inga eigentlich mit nach Dabel?«
»Nein, sie hat gesagt, sie will ausschlafen.«
»Ach, na dann tschüss. Ich hab meinen Schlüssel mit, okay?«
Sie gab ihm einen Kuss und verließ den Wohnwagen. Jetzt war sie richtig beschwingt. Erik würde den Vormittag nicht mit Inga verbringen. Wunderbar! Sie ging zu dem Wohnwagen mit den aufgemalten Fischen und schnappte sich das Fahrrad, das dort an der Rückseite lehnte. Petra war seit jeher zu faul gewesen, ihr Rad anzuschließen, schon in Wismar hatte sie das nie getan. Seltsamerweise war es ihr nie geklaut worden.
Grit fuhr los, in die Richtung, wo sie das größte Waldgebiet vermutete. Es roch fast nach Herbst, jetzt, im Spätsommer, und natürlich gab es auch Pilze. Maronen und Pfifferlinge würde sie schon auftreiben. Aber einen Giftpilz? Sie trat in die Pedale und grübelte. Wovor war sie stets am meisten gewarnt worden? Dem Knollenblätterpilz natürlich. Aber der wirkte erst einen Tag später. Sollte sie Inga umbringen? Oder reichte es, wenn sie für die Zeit des Urlaubs aus dem Wege war?
Sie schlug jetzt einen Weg ein, der schmal und wenig betreten aussah. Ihre Blicke glitten über den Boden. Was war, wenn Inga die Pilze nicht stahl wie erhofft? Dann konnte sie sie ihr schenken. Natürlich konnte man dann vermuten, dass sie absichtlich einen Giftpilz daruntergemischt hatte. Aber beweisen konnte man es ihr nicht! Solange sie nichts zugab, war sie auf der sicheren Seite. Ob Erik ihr aber auch glauben würde? Sie wollte nicht, dass er hinter die Wahrheit kam. Sie seufzte. Hier am Weg wuchsen einfach keine Pilze. Sie musste sich ins Unterholz schlagen, wenn sie etwas finden wollte! Schnell schob sie das Fahrrad in ein Gebüsch und prägte sich die Stelle ein. Und nun ab in den Wald!
Einige Stunden später schaute sie den Gläsern im Kochtopf zu, die leise aneinanderklangen beim Einwecken. Sie hatte Pfifferlinge und sogar vier Steinpilze gefunden, dazu Maronen, Stockschwämmchen und Rotkappen. Sehr schön. Und einen Risspilz. Es sollte einer sein, von dem Inga sehr schnell schlecht werden würde. Nichts, was erst nach zwei oder drei Tagen wirkte wie beim Knollenblätterpilz. Als die Gläser fertig waren, trug sie sie nach draußen und stellte sie zum Abkühlen auf den Boden unter dem Wagen. Inga würde die Gläser von ihrem Fenster aus sehen können. Nun musste sie sie nur noch stehlen! Bislang hatte sich im Wagen gegenüber nichts gerührt. Grit spähte durch die Gardine. Aber Inga war schon immer viel zu gerissen gewesen, um sich erwischen zu lassen. Also verließ Grit möglichst lautstark den Wagen. Sie tat, als würde die Tür nicht richtig schließen, schlug sie heftig zu, schloss ab und ging zu den Toiletten. Da setzte sie sich auf einen Klodeckel und wartete. Wenn Inga doch nur zugreifen würde …
Aber sie griff nicht zu. Immer wieder schaute Grit auf die Gläser, doch stets waren alle vollzählig da. Erst am nächsten Morgen fehlte ein Glas!
Selbstverständlich gab es bei Grit an diesem Tag keine Pilze. Sie aß zusammen mit Erik eine Dose Kartoffelsuppe. Dann gingen sie Schwimmen, die letzten Augusttage hatten das Wasser noch einmal gewärmt.
»Was ist da denn los?«, fragte Erik und zeigte auf einen Krankenwagen, der auf dem Campingplatz stand.
»Keine Ahnung«, sagte Grit und
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