Moerderische Schaerennaechte
mich an, wenn du etwas herausfindest?«
»Na klar. Oder vielleicht können wir uns draußen treffen? Habt ihr nicht vor, nach Harö zu fahren?«
»Wahrscheinlich, sofern ich nicht arbeiten muss.«
»Du und Pernilla könnt dann doch mal vorbeikommen? Zum Abendessen vielleicht?«
»Das machen wir gern. Ich geb dir Samstag Bescheid.«
Nora fiel der Filmbeitrag in den Nachrichten ein, der neulich abends gesendet worden war.
»Ich habe dich übrigens im Fernsehen gesehen«, sagte sie. »Da kam etwas in den Nachrichten über den Mord an einem alten Lehrer von mir. Jan-Erik Fredell. Ermittelst du in dem Fall?«
»Kann man so sagen.«
Thomas wurde auf einmal wortkarg.
Einmal hatte Nora ihren Lehrer zufällig in der U-Bahn getroffen. Er trug Uniform und ein Barett auf dem Kopf. Er hatte ihr erzählt, er sei auf dem Weg zu einer Reserveübung.
»Übrigens«, sagte sie. »Er war wohl Küstenjäger? Stellst du deshalb diese Fragen über Korsö?«
Nora blieb im Dunkeln sitzen, nachdem das Telefonat mit Thomas beendet war.
Als sie das mit Fredell und Korsö gesagt hatte, war Thomas zugeklappt wie eine Auster. Sie ärgerte sich ein bisschen, dass er ihr erst all die Fragen stellte und sich anschließend so zugeknöpft verhielt. Sie hatten aufgelegt, ohne dass sie irgendetwas aus ihm herausbekommen hatte.
Drinnen war es fast so stockdunkel wie draußen, aber sie konnte sich nicht aufraffen, aufzustehen und Licht zu machen. Stattdessen ließ sie sich in die Sofakissen zurücksinken.
Morgen war Freitag.
Die Wochenenden waren in den Wochen, in denen die Kinder nicht bei ihr waren, immer am schlimmsten. Unter der Woche konnte man die Tage mit Arbeit füllen, und manchmal schaffte sie es, ins Fitnessstudio zu gehen oder sich mit einer Freundin zu treffen. An einem Mittwochabend beispielsweise konnte man ein Glas Wein trinken oder ins Kino gehen und sich einen Frauenfilm ansehen.
Aber das Wochenende gehörte der Familie. Keine Rede davon, sich dann mit einer in Scheidung lebenden Freundin zu treffen. Vielleicht war das auch ganz gut so; die wenigen Einladungen zum Essen, die Nora erhalten hatte, waren anstrengende Veranstaltungen gewesen.
Die Leute wussten nicht, wie sie sich zu der Scheidung verhalten sollten, und das führte meist dazu, dass am Tisch eine bedrückte Stimmung herrschte. Manche versicherten, nicht Partei ergreifen zu wollen, aber dann verwickelten sie sich doch in lange Erklärungen, wie problematisch es sei, Henrik und Nora auf dieselbe Party einzuladen. Andere wollten, dass sie ihr Herz ausschüttete, und waren geradezu aufdringlich mit ihren Fragen nach Henriks neuer Partnerin: Was Nora denn von Marie hielt? Machte es ihr etwas aus, dass Marie in ihr altes Haus gezogen war? Was sagten die Kinder zu all dem?
Die Fragen hörten nicht auf, obwohl Nora murmelnd versuchte, das Thema zu wechseln. Jedes Mal endete es damit, dass sie sich schwor, nie wieder eine solche Einladung anzunehmen.
Mit einem Teil des Freundeskreises traf sie sich einfach nicht mehr. Zu der Seglerclique, die Henrik seit seiner Kindheit kannte, war der Kontakt völlig abgebrochen, aber darüber war sie nicht traurig.
Resigniert stand Nora auf und machte Licht. Dann griff sie zur Fernbedienung und schaltete die Nachrichten ein.
Sie sollte sich wirklich etwas zu essen machen, aber sie hatte auf nichts Appetit. Außerdem hatte sie vergessen einzukaufen, und das Einzige, was sie im Haus hatte, waren Cornflakes und Dickmilch. Aber ihre Blutzuckerwerte verlangten, dass sie jetzt etwas aß.
Plötzlich verspürte sie eine tiefe Sehnsucht nach Sandhamn und der Ruhe, die sich dort draußen einstellte. Wenn sie heute Abend eine Tasche packte, konnte sie morgen direkt nach der Arbeit hinfahren. Oder vielleicht sogar eine Stunde früher Feierabend machen, um sich Stress zu ersparen.
Auf Sandhamn war es leichter, das Alleinsein zu ertragen, obwohl die Brand’sche Villa mehr als doppelt so groß wie ihre Wohnung war. Wenn ihr die Decke auf den Kopf fiel, konnte sie immer bei ihren Eltern oder bei Bekannten anklopfen, oder einfach mit einem Nachbarn ein paar Worte über den Gartenzaun wechseln.
Auf Sandhamn spielte es keine Rolle, ob sie verheiratet war oder Single. Dort kümmerte es niemanden, dass sie frisch getrennt war.
Dort war sie einfach sie selbst, einfach Nora.
Tagebucheintrag Januar 1977
Es ist Zeit für die Eisübung. Wir müssen den ganzen Tag marschieren, mit voller Ausrüstung natürlich, und am Ende sollen wir im Stockdunkeln
Weitere Kostenlose Bücher