Moerderische Schaerennaechte
in einem Vorlesungssaal, und Thomas fragte sich, ob alle Universitätsdozenten so umständlich waren. Vielleicht fiel sie in ein altgewohntes Muster zurück, um ihre eigene Unsicherheit in dieser Situation zu überspielen.
»In dem Kurs werden verbale und non-verbale Kommunikation sowie die für das Themengebiet relevante Forschungs- und Untersuchungsmethodik behandelt.«
»Entschuldigung, wenn ich unterbreche«, sagte Thomas, »aber es wäre gut, wenn Sie etwas konkreter sagen könnten, womit Marcus sich beschäftigt hat.«
Susanna Albäck verlor den Faden.
»Natürlich, Entschuldigung. Zum Kurs gehört eine Vertiefungsaufgabe, bei der die Studierenden Strukturen und Prozesse in einer Gruppe beschreiben und analysieren sollen. Die Aufgaben wurden bei Semesterbeginn vor vier Wochen verteilt.«
»Aha?«
»Sie beinhaltet, dass alle Studenten eine Hausarbeit von etwa dreißig Seiten abliefern. Sie soll eine reale Situation behandeln, und diese soll in einen theoretischen und historischen Kontext gesetzt werden. Ausgangspunkt sind die Theorien zur Gruppendynamik, die in diesem Kurs vermittelt werden.«
»Wofür hatte Marcus sich entschieden?«
»Er wollte untersuchen, wie Gruppen im militärischen Bereich unter starkem Druck funktionieren.«
Margit wechselte einen Blick mit Thomas.
»Wie wirkt sich Druck von außen auf die Gruppendynamik und Gruppenloyalität aus«, fuhr Susanna Albäck fort. »Was passiert mit internen Normen als Folge externer Faktoren.«
»Könnten Sie das in normale Alltagssprache übersetzen?«, fragte Margit.
»Meine Kollegin Margit Grankvist hört unserem Gespräch zu«, erklärte Thomas.
»Bitte erläutern Sie das etwas näher«, wiederholte Margit.
»Marcus hatte beschlossen, über einen militärischen Verband als Referenzobjekt zu schreiben«, sagte die Tutorin. »Nach einigen Recherchen und Interviews wählte er eine Truppengattung, die ihre Rekruten ausgesprochen schwierigen Situationen aussetzt.«
»Was meinen Sie damit?«, hakte Thomas nach.
»Manche militärischen Verbände führen Übungen durch, die grausam und unmenschlich erscheinen, und sie tun dies, um einen gewissen Anteil auszusieben.« Sie unterbrach sich, um Atem zu holen. »Die Theorie besagt, dass dies die Teilnehmer mit den besten Leistungen zusammenschweißt, und gleichzeitig bauen sie ein starkes Selbstbild auf, sowohl individuell als auch kollektiv, das sie gemeinsam bestätigen. Es entsteht eine extrem starke Loyalität in der Gruppe, und nach einer Weile wird daraus das, was man gemeinhin als Elitesoldaten bezeichnet.«
»Darüber also wollte Marcus schreiben?«, sagte Margit.
»Ja. Die Idee war, dass er zum einen untersuchen sollte, wie eine solche Gruppe in schwierigen physischen und psychischen Situationen reagiert hat, und zum anderen, welcher Einfluss auf die interne Dynamik beobachtet werden konnte. Er sollte außerdem untersuchen, ob in der Gruppe ein dauerhafter Effekt entstanden ist, der sich auch noch viele Jahre später nachweisen ließ.«
»Wissen Sie, welche Art von Soldaten er dafür ausgewählt hat?«, fragte Thomas.
Im Hintergrund klingelte ein Telefon, und die Tutorin bat um einen Moment Geduld. Thomas hörte, wie sie dem Anrufer versprach, in zehn Minuten zurückzurufen.
»Entschuldigung«, sagte sie. »Ich bin wieder da. Wie war noch gleich die Frage?«
»Welche Truppengattung wollte Marcus untersuchen?«
Es entstand eine kleine Pause. Es hörte sich an, als würde ein Blatt Papier aus einem Stapel Dokumente gezogen.
»Küstenartillerie«, sagte Susanna Albäck. »Er wollte über einen Verband von 1976 schreiben.«
»Warum ging er in die Vergangenheit zurück?«, fragte Margit.
»Zu der Zeit ging es offenbar ziemlich rau zu«, sagte Susanna Albäck. »Es gab da wohl mehrere Vorfälle in den Siebzigern. Das machte die Fallstudie interessant.«
»Um welchen Verband ging es genau?«
Thomas beugte sich zum Telefon vor.
»Um Küstenjäger.«
Kapitel 28
Karin Ek kam in Thomas’ Zimmer, eine blaue Plastikhülle in der Hand.
»Hier ist die Kopie von dem Foto, die du haben wolltest. Soll ich das Original zurückschicken?«
»Ja, bitte. Vielen Dank für deine Hilfe.«
Karin legte die Plastikhülle mit Kaufmans Foto auf den Schreibtisch und verschwand hinaus auf den Flur. Von Weitem hörte Thomas ihr Handy klingeln, und gleich darauf ermahnte sie jemanden, vermutlich ihren jüngsten Sohn, der noch zu Hause wohnte, seine Trainingssachen nicht zu vergessen, wenn er zum Judo
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