Moerderische Sehnsucht
sah sich die todbringenden Schnitte an den Handgelenken an. » Sie hat sich kaum gewehrt, die Fesseln haben weniger Schaden an den Handgelenken und den Knöcheln angerichtet als bei York. Und die Schnitte an den Handgelenken? Genauso sauber und präzise wie bei all den anderen Frauen. Er hat sich noch unter Kontrolle. Und er will immer noch, dass sie so lange wie möglich durchhalten.«
Sie legte den Arm wieder auf dem blendend weißen Laken ab. » Er ist stolz auf sein Talent zu foltern und den Frauen Schmerzen zu bereiten, ohne dass sie daran sterben. Darauf, dass er den Level an Schmerz, Angst, die Schwere der Verletzungen immer weiter steigern kann und sie gleichzeitig am Leben hält. Aber Rossi hat ihn vorzeitig im Stich gelassen, bei ihr hat er sein Ziel verfehlt.«
» Und zwar noch, bevor er sein Gesicht in den Nachrichten gesehen hat«, stellte Peabody fest. » Also nicht, weil er in Panik ausgebrochen oder seinen Ärger an ihr ausgelassen hat.«
Eve blickte auf. » Nein. Aber selbst wenn es so gewesen wäre, wäre sie jetzt tot. Selbst wenn er in Panik oder Wut geraten wäre, hätten wir das Bild veröffentlicht. Denn wir hätten keine andere Wahl gehabt. Also denken Sie nicht mehr daran. Er hat am Samstagmorgen mit ihr angefangen, und in der Nacht von Sonntag auf Montag war er mit ihr fertig. York hatte er bereits Freitagnacht entsorgt. Vielleicht hat er also noch ein bisschen gefeiert oder erst mal ausgeschlafen, bevor er die Uhr für Rossi wieder aufgezogen hat.«
Er hat sich Zeit genommen, um mich zu beschatten, dachte Eve. Auch das war eine bewährte Foltermethode, wie sie wusste. Dass man immer wieder einmal Pausen machte, bevor man sein Opfer weiter malträtierte. Außerdem hatte er seine Arbeit ein paar Stunden unterbrochen, um Greenfeld in sein Versteck zu locken. Schließlich hatte er sein nächstes Opfer sichern wollen, bevor die Zeit für Rossi abgelaufen war.
» Er hat sie gesäubert und sich dabei Zeit gelassen. Schließlich war er nicht in Eile. Den Ort, an dem er sie entsorgen wollte, hatte er bereits gewählt und beobachtet. Weshalb also bereits alles vorbereitet war.«
Aus ihrer gebückten Position sah Eve sich die Umgebung an. » Bei diesem Wetter gehen nicht gerade viele Leute in den Park. Er hat abgewartet«, fuhr sie fort. » Dann hat er sie eingeladen, hierher transportiert und in den Park geschleppt.«
» Die Spurensicherung hat jede Menge Fußabdrücke sichergestellt. Der Schnee war noch ziemlich frisch und weich. Sie werden die Abdrücke nehmen und uns eine Größe und Marke nennen können, wenn sie mit der Untersuchung fertig sind.«
» Ja. Aber das ist ihm egal. Er ist bestimmt clever genug, um zu große Schuhe anzuziehen und uns damit von seiner Fährte abzulenken. Irgendein gewöhnliches Modell, das man fast unmöglich bis zu ihm zurückverfolgen kann. Wenn wir ihn erwischen, werden wir die Schuhe finden. Dann werden sie uns helfen, ihn zu hängen, aber zu ihm führen werden sie uns nicht.«
So leidenschaftslos wie die harschen Scheinwerfer der Spurensicherung untersuchte sie die tote Frau. » Sie war in Topform und ziemlich stark.« Ein Musterexemplar? Hatte er gedacht, er hätte mit ihr eine ausgezeichnete Kandidatin für sein grässliches Duett? » Sie hat sich gewehrt, aber nicht so sehr wie York. Nicht annähernd so vehement wie York, und sie hat auch nicht so lange durchgehalten. Hat zu irgendeinem Zeitpunkt einfach aufgegeben. Körperlich war sie in ausgezeichneter Verfassung, aber etwas in ihrem Inneren hat einfach dichtgemacht. Muss eine Riesenenttäuschung für den Kerl gewesen sein.«
» Ich bin froh, dass sie dadurch weniger gelitten hat. Ich weiß«, erklärte Peabody, als Eves Blick sie traf. » Aber wenn wir sie schon nicht retten konnten, bin ich wenigstens froh, dass sie nicht so lange gelitten hat.«
» Wenn sie ein bisschen länger durchgehalten hätte, hätten wir sie vielleicht noch retten können. Aber wie man es auch dreht und wendet, Peabody, letztendlich ist es, verdammt noch mal, vollkommen egal.«
Sie richtete sich auf, als sie Morris kommen sah. In seinem Blick sah sie etwas von dem, was auch sie selbst und ihre Partnerin empfanden. Diese komplizierte Mischung aus Ärger, Verzweiflung, Schuldgefühlen und Trauer drückten wahrscheinlich die Blicke aller in den Fall verwickelten Kollegen aus.
» Gia Rossi«, stellte er statt einer Begrüßung fest.
» Ja. Unserer ersten Schätzung nach ist sie etwas länger als sechsundzwanzig Stunden
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