Moerderische Sehnsucht
ergeben. Du hast mir selber beigebracht, einer Sache nachzugehen, wenn sie für mich einen Sinn ergibt. Und das tue ich.«
Er nickte langsam mit dem Kopf. » Dann hast du also nicht vergessen, wer dich ausgebildet hat. Wer dich zu dem Cop gemacht hat, der du heute bist.«
Jetzt bekam sie einen trockenen Hals. » Das habe ich ganz sicher nicht vergessen. Ich war schließlich dabei, als du mich unter deine Fittiche genommen hast. Und ich war auch dabei, als du diese Fälle auf den Tisch bekommen hast. Ich war direkt an deiner Seite, doch trotz all unserer Bemühungen haben wir den Typen nicht erwischt.«
» Du schuldest mir zumindest den Respekt, mich vorzuwarnen, wenn du meine Arbeit auseinandernimmst. Stattdessen gehst du einfach über meinen Kopf hinweg und stellst mich mit irgendwelchen schwachsinnigen Nachforschungen über die Innerstädtischen Revolten ruhig. Ich habe damals wegen dieses Falls monatelang kein Auge zugekriegt.«
» Ich weiß. Ich…«
» Du hast ja keine Ahnung, wie oft ich diesen Fall seither in Gedanken durchgegangen bin«, fiel er ihr erbost ins Wort. » Und jetzt meinst du, du hättest die Lösung gefunden und könntest meine gesamte bisherige Arbeit einfach über den Haufen werfen, ohne mich wenigstens zu fragen, ob ich damit einverstanden bin.«
» Das war ganz bestimmt nicht meine Absicht. Mir geht es vor allem um die Ermittlungen…«
» Verdammt, mir auch.«
» Ach ja?« Zorn und Trauer bildeten ein widerwärtiges Gebräu in ihrem zusammengezogenen Magen, sie stieß mit rauer Stimme aus: » Umso besser, denn ich habe nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt, und ich hatte einfach keine Zeit, um dich vorher zu fragen, ob du damit einverstanden bist. Denn je schneller wir diesen Bastard finden, umso größer sind Gia Rossis Chancen, die im Augenblick so groß wie die eines Schneeballs in der Hölle sind. Es geht hier nicht um deine Arbeit, sondern um das Leben dieser Frau.«
» Erzähl mir nichts von ihrem Leben.« Er fuchtelte mit einem Finger vor ihrem Gesicht herum. » Oder von dem von York oder Dagby oder Congress oder Waters oder Weitz. Glaubst du, du bist die Einzige, die ihre Namen kennt?«, fragte er im Ton größter Verbitterung. » Wer trägt das Gewicht der Verantwortung für diese Frauen auf seiner Schulter? Halte mir also bitte keinen Vortrag über deine Prioritäten, Lieutenant.«
» Du hast mir deinen Standpunkt und deine Gefühle in dieser Angelegenheit deutlich gemacht, Captain. Und jetzt sage ich dir als Ermittlungsleiterin, es reicht. Mach eine Pause, und dann fahr mit deiner Arbeit fort.«
» Vergiss es.«
» Du machst jetzt eine Stunde Pause oder fährst nach Hause und schläfst dich erst mal aus.«
» Oder? Wirfst du mich sonst aus deinem Team?«
» Lass es nicht darauf ankommen«, bat sie ihn in ruhigem Ton. » Tu uns beiden das nicht an.«
» Du hast uns das angetan. Denk mal darüber nach.« Er stürmte aus ihrem Büro, warf die Tür so fest hinter sich zu, dass die Scheibe klirrte, und Eve stützte sich keuchend auf dem Schreibtisch ab, bevor sie sich in ihren Sessel sinken ließ. Ihre Beine fühlten sich wie Gummi an, und in ihrem Bauch rumorte es wie in einem sturmgepeitschten Ozean.
Sie hatten sich auch vorher schon ab und zu gestritten. Es war vollkommen unmöglich, jemanden so gut zu kennen und unter oft schwierigen Bedingungen mit ihm zu arbeiten, ohne dass es hin und wieder böse Worte gab. Dieses Mal jedoch war Feeney derart bissig und bösartig gewesen, dass sie das Gefühl hatte, er hätte sie körperlich attackiert.
Sie sehnte sich nach fünf bis sieben Litern kalten Wassers, um das Brennen ihres Halses zu bekämpfen, aber wenn sie jetzt versuchen würde aufzustehen, bräche sie bestimmt zusammen, deshalb blieb sie einfach sitzen, bis das Zittern ihrer Hände abnahm und sie wieder halbwegs bei Besinnung war.
Dann rief sie trotz bohrender Kopfschmerzen die nächste Akte auf und arbeitete weiter.
Sie telefonierte fast zwei Stunden, schaltete, wenn nötig, Dolmetscher in die Gespräche ein, und als sie eine kurze Pause brauchte, stand sie auf, öffnete ihr Fenster, blieb dort stehen und atmete die kalte Märzluft ein. Noch ein, zwei Stunden, dachte sie. Dann hätte sie diesen Schritt beendet, würde noch ein paar Wahrscheinlichkeitsberechnungen anstellen, ihren Bericht in den Computer geben und nach Hause fahren.
Das Sortieren der Fakten und Vermutungen, der Aussagen und Gerüchte, das Verfassen des Berichts in einer klaren, sachlichen
Weitere Kostenlose Bücher