Mörderische Tage
Täters zu tragen.«
»Wenn ich Sie unterbrechen darf«, meldete sich Hellmer zu Wort. »Weshalb sind Sie bei der jungen Frau aus Zeilsheim so zurückhaltend, während Sie meine Kollegin, Frau Cornelius und die Tote aus dem Stadtwald dem Täter zuschreiben?«
»Das liegt schlichtweg in der Tatsache begründet, dass die Tote aus Zeilsheim eine beinahe perfekte Kopie einer Mordserie von vor acht Jahren ist, die sich in Frankfurt zugetragen hat und bei der Sie mit Frau Durant ermittelt haben …«
»Und weiter? Der Täter hat auch die Morde von Gernot eins zu eins kopiert. Er steht offenbar darauf, andere zu kopieren, ein Nachahmungstäter eben.«
»Da muss ich Ihnen widersprechen. Er schafft sehr wohl Eigenkreationen, wie unter anderem der Fall Schweigert belegt. Schweigert, Slomka, Mertens, Uhlig, Cornelius, Durant tragen allesamt seine ganz persönliche Handschrift. Er hat sich längst von Gernot verabschiedet, er hat ihm höchstens ein symbolisches Denkmal geschaffen. Sagen wir, er hat sich vor ihm verbeugt, indem er die ersten beiden Morde genauso ausgeführt hat. Selbst die Art der Fesselung mit den komplizierten Knoten scheint identisch zu sein, soweit ich das auf den Fotos erkennen konnte. Aber gut, nehmen wir die Tote aus Zeilsheim mit in das Register auf, dann kommen wir auf bisher zehn Personen, die in seiner Gewalt waren beziehungsweise sind …«
»Entschuldigung, aber um noch mal auf die Tote aus Zeilsheim zurückzukommen, er hat sie zwar vollständig bekleidet abgelegt und einen Mord von vor acht Jahren kopiert, aber wenn Sie das rechtsmedizinische Gutachten lesen, wird Ihnen ein interessanter Punkt ins Auge fallen: die junge Frau wurde nach ihrem Tod sorgfältig gewaschen und mit einer exklusiven Bodylotion eingerieben, genau wie die Schweigert. Sie gehört definitiv zu unserem Täter.«
»Ich habe sie doch schon in die Opferliste aufgenommen«, entgegnete Holzer kühl. »Darf ich fortfahren?«
»Natürlich«, sagte Berger und trommelte mit den Fingern auf den Tisch, wobei er Hellmer einen ärgerlichen Blick zuwarf.
Holzer nahm einen Stift und schrieb an die Tafel:
5 Morde
5 vermisste Personen
1 Mann, 9 Frauen
Danach wandte er sich wieder den Anwesenden zu. »Der Mann passt nicht ins Bild; da er jedoch das erste bekannte Opfer des Täters war, gehe ich davon aus, dass er als Übungsobjekt herhalten musste. Der erste Mord, die erste Überwindung. Eine Art Kräftemessen, ob er es schaffen würde. Er wollte es, und er hat es geschafft. Dabei hat er sich ein leichtes Opfer gesucht. Detlef Weiß war ein Einzelgänger und durch einen Unfall behindert und damit kaum in der Lage, sich angemessen zu wehren. Die brutalen Folterungen und der langwierige Tötungsakt lassen darauf schließen, dass der Täter es genoss, sein Opfer leiden zu sehen. Er geriet in einen Tötungsrausch, den er ganz bewusst erlebte. Am Ende stand wie bei Corinna Peters das Ausbluten, bevor er die Fesselung vornahm. Bei der Peters wusste er, wie es funktioniert, vor allem aber, wie es sich anfühlt. Er wollte es wieder fühlen, weil das Töten ganz besondere Emotionen in ihm auslöst – für uns nicht nachvollziehbare Emotionen. Manche Täter bekommen Glücksgefühle, andere weinen, während sie zustechen oder zudrücken, manche weinen vor Glück oder auch Trauer, andere zeigen keinerlei Regung. Wie auch immer, um bestimmte Emotionen überhaupt auslösen zu können, muss er töten. Kommen wir zu Nummer drei, Jacqueline Schweigert, die bis dato Jüngste. Die Vorgehensweise hat sich drastisch geändert. Er setzt sie mitten in der Nacht in der Nähe der A66 aus, die junge Frau ist völlig orientierungslos und läuft auf die Autobahn. Niemand kann sich ihren Zustand erklären, gut zwei Tage später ist sie tot, ohne mit jemandem gesprochen zu haben, ohne jemanden erkannt zu haben. Was ist mit ihr geschehen?« Er zuckte mit den Schultern, um gleich darauf fortzufahren: »In den USA habe ich an einem Fall mitgearbeitet, wo ein Serientäter seine Opfer in einer Art Isolationshaft gefangen hielt, bevor er sie tötete. Er konnte nur durch Zufall geschnappt werden, weil eines seiner Opfer entkommen konnte. Die Frau hatte sich das Kennzeichen seines Fahrzeugs gemerkt – Sie sehen die Parallelen zum Fall Gernot – und war nackt auf die nächste Polizeistation gerannt. Der Zugriff erfolgte nur wenige Minuten später. Was wir vorfanden, war das reinste Gruselkabinett … Die Isolationshaft, in der George S. Brown seine Opfer gefangen hielt,
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