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Mörderische Tage

Mörderische Tage

Titel: Mörderische Tage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Franz
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denn ich werde meinen Entschluss erst fassen, wenn ich deine Abhandlung über Gut und Böse gelesen habe.«
    »Soll ich mir Zeit lassen oder mich beeilen?«
    »Dein Spott wird dich noch umbringen.«
    »Was mich umbringt …«
    »Ist dir egal, ich weiß. Dummes Geschwätz, das spätestens dann aufhört, wenn es wirklich dem Ende zugeht. Glaub mir, ich spreche da aus Erfahrung.«
    Er verließ die Zelle und sperrte die Tür ab. Julia war wieder allein, allein mit sich und ihren Gedanken. Sie blieb noch einen Augenblick am Tisch sitzen, starrte auf den Block, bis sie aufstand und ruhelos von der Tür zur Toilette und wieder zur Tür tigerte. Sie lief so lange, bis ihre Füße schmerzten und sie sich hinlegen musste. Sie hatte nicht vor, jetzt noch etwas zu schreiben, er sollte warten, denn eine seiner Schwächen hatte sie ausgemacht – Ungeduld.
    Ich werde dich zappeln lassen, und von mir aus kannst du mich wieder schlagen, du bist interessiert an meinen Gedanken, doch ich bestimme, wann ich sie dir mitteile. Wer immer du bist, du wirst noch sehr lange warten müssen, bis du etwas von mir erfährst. Ich habe Zeit, und wenn ich dein Meisterstück werden soll, dann wirst du dir diese Zeit wohl nehmen müssen.
    Sie verschränkte die Arme hinter dem Kopf und machte die Augen zu. Sie hatte sich mittlerweile an das grelle Licht gewohnt, ebenso an die Stille. Doch sie hatte sich vorgenommen, nicht zu resignieren und schon gar nicht zu kapitulieren, weder vor dem Licht noch vor eventueller Finsternis, nicht vor der Stille, die sie so noch nie erlebt hatte, und auch nicht vor möglichem Lärm.
    Julia Durant würde sich mit aller Kraft gegen die Auswirkungen von Isolationshaft stemmen, auch wenn sie wusste, dass jeder Mensch durch diese Folter gebrochen werden konnte. Aber sie dachte an ihren Vater, der bestimmt schon in Frankfurt war, an ihre vielen Wochenenden mit ihm, wie er ihr von Gott und den Engeln erzählt hatte, die jeden Menschen beschützten, vorausgesetzt, dieser Mensch war auch bereit dafür.
    Beim nächsten Mal werde ich dich wieder in ein längeres Gespräch verwickeln, und ich werde noch mehr über dich herausfinden. Du bist zwischen Ende zwanzig und Mitte dreißig, hast eine ausgezeichnete Schulbildung genossen, bist wohlhabend, verheiratet und hast vielleicht sogar Kinder. Du bist ein Narziss. Das ist gleichzeitig deine Schwachstelle. Du bist überzeugt von deiner Macht und deiner Stärke, und ich werde dir vor Augen führen, dass genau dies deine Schwächen sind. Ich werde es dir natürlich nicht ins Gesicht sagen, aber ich werde es so ausdrücken, dass du anfängst, an deiner Stärke zu zweifeln. Kein Mensch ist unfehlbar, auch du nicht. Du bist angreifbar und verwundbar, ich muss nur noch die Stelle finden, wo ich dich am besten treffen kann. Wie gut, dass du meine Gedanken nicht lesen kannst. Auch wenn ich Angst habe, ich werde dich besiegen.
    Seit sie aus der Betäubung erwacht war, hatte sie nicht geschlafen. Sie legte einen Arm über die Augen und schlief fast augenblicklich ein. Das unnatürliche Rauschen in ihren Ohren nahm sie nicht mehr wahr. Sie wachte erst wieder auf, als hämmernder Technobeat aus zwei an der Decke angebrachten Lautsprechern dröhnte. Sie fühlte sich wie gerädert, setzte sich langsam auf und hielt sich die Ohren zu, was jedoch kaum etwas nützte, zu laut war dieser Lärm, der selbst durch die Haut zu dringen schien. Ihr Herz pochte wie wild, sie senkte den Kopf, damit er sie nicht sah, nicht ihr Gesicht, nicht, wie sie Lippen und Augen zusammenpresste, nicht, wie alles in ihr im Gleichklang zum wummernden Beat mit hundertsechzig Schlägen pro Minute vibrierte. Selbst die Wände, der Boden, der Tisch und das Bett schienen zu vibrieren.
    Und auf einmal war Stille. Wieder diese unendliche, absolute und vollkommene Stille. Sie nahm die Hände von den Ohren und lehnte sich gegen die Wand, bis aus den Lautsprechern seine Stimme kam: »Und, hat es dir gefallen? Ich habe auch noch andere außergewöhnliche Musik für dich. Aber einen Moment der Ruhe und der Besinnung will ich dir gönnen. Und du weißt ja, Moment ist ein Zeitbegriff, und Zeit ist relativ. Lass dich überraschen, denn das eben war nur die Ouvertüre, das Konzert folgt noch.«
    Julia Durant war spätestens in diesem Augenblick eines klar: Das Spiel hatte erst jetzt richtig begonnen.
     
    Sonntag, 8.30 Uhr
     
    Hellmer hatte mit seiner Familie und Susanne gefrühstückt, die eigenen Aussagen zufolge kaum ein Auge zugemacht

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