Mörderische Tage
hatte. Ihre Gedanken kreisten in einem fort um Julia, dazu gesellte sich die unerträgliche Angst, sie nicht wiederzusehen. Etliche Male war sie aufgestanden und zur Toilette gegangen, hatte zwei Flaschen Wasser getrunken und fühlte sich an diesem Morgen hundeelend, trotz des Make-ups war sie blass, ihre Bewegungen wirkten fahrig, immer wieder strich sie sich mit einer Hand über die Stirn.
Um halb zehn verabschiedete sich Hellmer, und auf die Frage Nadines, wann er in etwa wieder zurück sein werde, hatte er keine Antwort. »Keine Ahnung, aber wir haben eine Menge zu besprechen. Es geht ja nicht nur um Julia, sondern auch noch um die beiden anderen Fälle von gestern Abend. Wartet nicht auf mich.«
»Meldest du dich mal zwischendurch?«, fragte Susanne.
»Sicher. Es wäre vielleicht nicht schlecht, wenn ihr euch ein bisschen um Julias Vater kümmern könntet, der Mann ist
ganz allein. Rufst du ihn bitte an und fragst ihn, ob er nicht herkommen möchte? Du kannst ihn ja auch abholen, da kommst du auf andere Gedanken.«
»Ich kann an nichts anderes mehr denken …«
»Es geht uns allen an die Nieren, aber es hilft weder Julia
noch uns, wenn wir wie aufgescheuchte Hühner durch die Gegend rennen.«
»Was ist mit Julia?«, fragte Stephanie, die ein paar Wortfetzen aufgeschnappt hatte, als sie nach einem kurzen Ausflug in ihr Zimmer plötzlich wieder im Esszimmer stand.
»Nichts weiter, ihr geht's nur nicht besonders gut«, rettete Hellmer die Situation.
»Was hat sie denn?«, bohrte sie weiter.
»Etwas, das Frauen eben haben. Lässt du uns noch einen Moment allein? Und mach bitte die Tür zu, wir haben noch was zu besprechen.«
»Darf ich fernsehen?«
»Meinetwegen.«
Als Stephanie gegangen war, sagte Nadine: »Steffi wird es so oder so erfahren, spätestens, wenn Julias Vater hier ist. Wir können es ihr nicht verheimlichen.«
»Das können wir schon, indem wir nicht in ihrer Gegenwart über Julia sprechen. Ihr Frauen seid doch sonst immer so diplomatisch und geheimniskrämerisch, euch wird schon was einfallen. Ich möchte aber unter keinen Umständen Herrn Durant ausschließen. Er ist genauso unser Gast wie Susanne. Ich muss los.«
»Warte. Du machst es dir zu einfach. Steffi ist sieben und wird fragen, warum Susanne und Julias Vater hier sind und Julia nicht. Soll ich lügen?«
»Nein, das verlangt keiner von dir.«
»Also, dann werde ich ihr die Wahrheit sagen. Sie hat schon so viel mitgekriegt …«
»Ist ja gut. Tschüs.«
»Tschüs und bring sie lebend wieder …«
»Wir tun, was in unserer Macht steht.«
»Und was können wir tun?«, fragte Susanne.
»Hoffen und beten oder umgekehrt. Hört sich blöd an, ich weiß, aber das ist das Einzige, was ich euch raten kann. Hol Julias Vater her, gemeinsam seid ihr stärker. Okay?«
»Toi, toi, toi«, sagte Nadine, trat zu Hellmer und umarmte ihn. »Ihr werdet es schaffen, ich weiß es. Ich bin ganz ruhig.«
»Das ist es, was ich brauche, diese Ruhe. Gib mir ein bisschen davon ab.« Er gab ihr einen langen Kuss und flüsterte ihr dann ins Ohr: »Ich liebe dich. Tschüs.«
Er wandte sich um, ging in die Garage und stieg in seinen Porsche. Er wollte pünktlich zur Besprechung im Präsidium sein.
Sonntag, 10.00 Uhr
Acht Ermittler der Sonderkommission hatten sich im Konferenzzimmer versammelt und warteten gespannt auf die Analyse Holzers, der ein wenig verspätet eintraf. Hellmer musste an einen Popstar denken, der nach der Vorgruppe unter dem tosenden Beifall des kreischenden Publikums die Bühne betritt.
Begonnen wurde mit dem Mord an der Unbekannten, die im Frankfurter Stadtwald unweit des Oberforsthauses gefunden worden war. Das Obduktionsergebnis würde frühestens am späten Nachmittag, eher aber am Montagmorgen vorliegen. Anschließend sprachen sie den Fall der verschwundenen Psychologin Alina Cornelius durch.
Schließlich wurde Holzer gefragt, ob er schon etwas präsentieren könne. Er stand auf und begab sich an die Tafel. »Ich habe in der vergangenen Nacht die wesentlichen Teile der Akten studiert und eine erste Analyse erstellt. Ich bin zu folgendem vorläufigen Ergebnis gekommen: Die Morde an Detlef Weiß, Corinna Peters und Jacqueline Schweigert weisen auf einen Täter hin, obwohl die Vorgehensweisen der ersten beiden Morde und des dritten unterschiedlich sind. Was den Zeilsheimer Mord betrifft, wage ich noch keine Aussage zu tätigen. Aber die drei gestern bekanntgewordenen Fälle scheinen deutlich die Handschrift unseres
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