Mörderische Tage
dass nur er und sie es hören konnten. So leise, dass es für sie vor ein paar Monaten noch unverständlich gewesen wäre. Doch die Isolation hatte ihre Sinne geschärft, auch wenn sie nicht antwortete. »So kannst du doch nicht wieder unter die Menschen treten. Was wird wohl dein Sohn sagen, wenn er dich in diesem Zustand sieht? Er wird seine Mama kaum wiedererkennen. Aber ob sie ihn überhaupt zu dir lassen, ist eine andere Frage. Ich denke nicht, das werden sie ihm kaum antun, er würde ja ein Leben lang darunter leiden. Kinderseelen sind sehr empfindlich. Nun, darüber muss ich mir jetzt nicht den Kopf zerbrechen. Denk daran, bald ist alles überstanden, und alles wird gut sein. Du wirst nicht mehr leiden müssen.«
Wieder keine Antwort, keine Regung, wie schon seit Wochen. Sie schien nicht einmal zu registrieren, dass er vor ihr stand. Die Zeit war reif, sie freizulassen, noch zwei oder drei Wochen länger, und sie würde hier sterben, und das wollte er nicht.
Er lächelte maliziös und fasste mit beiden Händen an ihre Brüste, was ihm jedoch keine Genugtuung verschaffte, dazu hätte sie sich schon wehren müssen. »Bald bist du frei. Frei wie ein Vogel. Nur schade, dass du diese Freiheit nie wirst genießen können. Sehr, sehr schade.«
Er spreizte ihre Beine, was sie sich widerstandslos gefallen ließ. Als sie weiterhin keine Reaktion zeigte, meinte er leise: »Bald, schon sehr bald bringe ich dich weg von hier, vielleicht sogar schon morgen oder übermorgen. Deine Zeit ist gekommen. Bis dann.«
Er sah nach drei weiteren Frauen, bevor er als Letztes die Zelle von Franziska Uhlig betrat. »Hast du dich schon eingelebt?«
Sie atmete hastig und sah ihn mit angsterfülltem Blick an, auch wenn sie nur seine Umrisse erkannte. »Lass mich gehen, bitte! Ich habe Angst, ich bekomme kaum Luft und … Bitte, bitte, ich tue alles, was du von mir verlangst, Professor, aber lass mich raus, bitte, bitte, bitte. Ich leide seit meiner Kindheit unter Klaustrophobie und …«
»Das tut mir aufrichtig leid, aber Millionen und Abermillionen von Menschen leiden darunter. Du wirst dich daran gewöhnen. Und zu deiner Beruhigung, es dauert nur noch ein paar Tage, dann wirst du richtig hier angekommen sein. Die andern haben sich auch daran gewöhnt. Ich verspreche dir außerdem, dass du nicht lange hierbleiben wirst. Bald wirst du wieder zu Hause sein. Allerdings liegt es ganz allein bei dir, wie schnell ich dieses Versprechen umsetze. Nun zeig doch mal, was hast du so zu Papier gebracht?«
»Zwei Seiten.«
»Dieser Block hat hundert Seiten. Wie lange wirst du brauchen, bis alle Seiten gefüllt sind?«
»Lassen Sie mich gehen, bitte! Ich tue alles, was Sie verlangen, aber bitte, lassen Sie mich gehen, Professor!«, sagte sie noch einmal, ohne seine Frage zu beantworten.
»Waren wir nicht eben schon beim Du angelangt? Aber gut, ich lasse dich gehen, jedoch nur unter einer Bedingung – du musst schreiben. Schreib, schreib, schreib, bis dir die Finger bluten. Und vergiss nicht zu essen und zu trinken. Das hält Geist und Körper zusammen.« Nach dem letzten Satz lachte er leise.
Mit einem Mal sprang sie auf und stürzte sich mit lautem Geschrei auf ihn, doch er hatte mit diesem Angriff gerechnet und schlug ihr mit aller Kraft in den Bauch, bevor sie ihn überhaupt berühren konnte. Sie sackte zu Boden und japste verzweifelt nach Luft.
»Tu das nie wieder, sonst muss ich dich bestrafen, und das wird härter als dieser Schlag eben. Verstanden?«, zischte er mit harter Stimme.
Sie krümmte sich vor Schmerzen und wälzte sich auf dem Boden, die Tränen, die über ihr Gesicht liefen, interessierten ihn nicht. »Du bist ein Teufel«, sagte sie mit erstickter Stimme, »du bist ein Teufel!«
»Steh auf, dreh dich um, stell dich an die Wand und stütz dich mit den Händen ab. Wenn du meinst, dass ich ein Teufel bin, werde ich dir jetzt zeigen, wozu ein Teufel fähig ist. Es ist bestimmt eine Ewigkeit her, seit du einen echten Mann hattest, außer diesem … na ja, du weißt schon, wen ich meine. Jemand wie du sollte nicht so geheimnisvoll abstinent leben, wenn du verstehst.«
»Nein, bitte nicht«, flehte sie mit bebenden Mundwinkeln und sah ihn mit großen Augen an, obwohl sie kaum etwas von seinem Gesicht sah, das durch die dunkle Brille und den Bart verdeckt wurde. »Ich nehme alles zurück, ich habe das eben nicht ernst gemeint. Bitte, tu das nicht.«
»Strafe muss sein, denn es gehört zum Spiel, wenn jemand wie du
Weitere Kostenlose Bücher