Mörderische Tage
würden die meisten Filmstars einen Oscar kriegen. Aber er hat seine Quittung im Knast bekommen. Und selbst wenn er den Knast überlebt hätte, nun, ich nehme an, er wäre mittlerweile wieder auf freiem Fuß, da er nur zu >lebenslänglich< ohne den Zusatz >mit anschließender Sicherungsverwahrung< verurteilt worden war. Er wäre jetzt einundsiebzig …«
»Und hätte noch immer diese kriminelle Energie«, bemerkte Durant lapidar. »Einer, der solche Taten begeht, ändert sich nicht, auch wenn er älter wird. Ich bin fast sicher, er hätte es wieder getan, nur diesmal etwas anders, so dass man ihm nicht auf die Schliche kommen würde, weil man die Taten nicht mit ihm in Verbindung bringen würde.«
»Das können wir nicht beurteilen«, sagte Berger und fügte, nachdem er aufgestanden und ein paar Schritte gegangen war, hinzu: »Gernot ist und bleibt ein großes Fragezeichen. Wir wissen eigentlich nichts über ihn. Lesen Sie die Akte oder wenigstens das, was davon übrig geblieben ist.«
Durant und ihre Kollegen steckten die Köpfe zusammen und lasen die vierundzwanzig Seiten. Nach gut einer Stunde waren sie fertig, Hellmer streckte sich und gähnte, Kullmer sah Seidel mit gewölbten Lippen an, Durant setzte sich neben Berger.
»Nun, diese Übereinstimmungen können kein Zufall sein«, sagte sie. »Inwieweit wurde damals die Öffentlichkeit über Details informiert?«
»Überhaupt nicht. Es wurde eine umfassende Informationssperre verhängt, die Staatsanwaltschaft gab der Presse die notwendigsten Informationen, aber keine Details über Gernots Vorgehensweise. Die Öffentlichkeit hätte das nicht verkraftet. Heute sind die Menschen abgehärtet.«
»Auch nicht nach seiner Verurteilung?«, hakte Durant nach, ohne auf die letzte Bemerkung von Berger einzugehen.
»Nein. Einige der damals führenden und sogenannten seriösen Magazine wollten natürlich unbedingt Material haben, um über die Bestie Gernot so authentisch wie möglich zu berichten, aber wir haben nichts rausgerückt. Das meiste, was die gedruckt haben, beruhte auf Spekulationen. Sie kennen das ja, die Journalisten gehen zu den Angehörigen, Freunden, Verwandten, Bekannten, stellen ein paar Fragen und basteln sich eine möglichst reißerische Geschichte zusammen. Aber glauben Sie mir, neunzig Prozent von dem, was geschrieben wurde, beinhaltete nur einen Funken Wahrheit. Der Rest war erfunden. Wie fast immer. Und meines Wissens wurde der Fall Gernot in keinem einzigen Buch behandelt. Ich meine damit Bücher, die von Kriminologen oder in den Ruhestand gegangenen Beamten verfasst wurden. Das wäre mir bestimmt nicht entgangen.«
Durant überflog noch einmal zwei Passagen, betrachtete die beigefügten Fotos der Opfer. »Und Fotos?«
»Was?«, fragte Berger leicht irritiert.
»Wurden Fotos der Opfer veröffentlicht?«
»Wo denken Sie hin? Das wurde auch damals nicht gemacht. Diese Fotos waren viel zu grausam und schockierend. Warum wollen Sie das wissen?«
»Die Fotos gleichen denen von Peters und Weiß in frappierender Weise. Gernot hat seine Opfer gewaschen, unser Täter auch. Der Knoten, die Art der Ablage, wie bei Peters und Weiß. Wir haben es mit einem Nachahmungstäter zu tun, der Gernots Morde eins zu eins kopiert.«
»Ja, aber nur die ersten beiden«, sagte Seidel. »Bei der Schweigert ist es völlig anders, ihr wurden keine Verletzungen beigebracht.«
»Das haben wir doch alles schon besprochen, sonst hätte unser Chef nicht die Akten kommen lassen«, entgegnete Durant etwas ungehalten, »aber hier, da steht, dass Gernots drittes Opfer nach Rosen duftete. Wie war das doch gleich bei der Schweigert?«, fragte sie ihre Kollegin mit herausforderndem Blick.
»Hab ich da was überlesen?« Seidel las den Absatz, auf den Durant mit dem Finger deutete. »Tatsächlich. Okay, ich nehme alles zurück.«
»Hat Gernot nach seiner Verhaftung einem Mithäftling von seinen Taten berichtet? Wissen Sie das?«, fragte Durant Berger.
Der zuckte die Schultern. »Keine Ahnung, aber er verbrachte die Zeit bis zum Prozess in einer Einzelzelle, weil man um sein Leben fürchtete. Nach seiner Verurteilung hatte er meines Wissens nur Kontakt zu Mithäftlingen beim Duschen, beim Mittagessen und beim Hofgang.«
»Lassen Sie mich raten, er wurde unter der Dusche erstochen, oder?«
»Nicht ganz. Er wurde zu Tode geprügelt. Die haben ihn mit Schlägen und Tritten so lange malträtiert, bis er sich nicht mehr rührte. Und angeblich hat keiner gesehen, wer es war und
Weitere Kostenlose Bücher