Mörderische Tage
wie es geschah. Die haben geschwiegen wie ein Grab, selbst die Wärter. Im Knast gelten eben andere Gesetze. Verraten Sie uns endlich, was Sie mit Ihren Fragen bezwecken?«, fragte Berger, der immer ungeduldiger wurde.
»Einen Moment noch. Gernots Frau, wie hat sie sich der Presse gegenüber verhalten?«
»Höchst distanziert. Interviewanfragen hat sie kategorisch abgelehnt, unmittelbar nach dem Urteilsspruch ist sie ins Ausland gezogen. Sie hatte ja das nötige Geld und wollte nur ihre Ruhe haben.«
»Hatte Gernot Kinder?«
»Nein, zumindest nicht mit seiner über alles geliebten Frau.«
»Vielleicht aber aus einer früheren Beziehung?«
»Frau Durant, Ihre Spekulationen in allen Ehren, aber das führt uns nicht weiter. Verraten Sie uns doch lieber endlich …«
»Warten Sie doch bitte noch einen Moment!«, fuhr Durant Berger an. »Entschuldigung, war nicht so gemeint, ich bin nur etwas gereizt …«
»Ist nicht zu überhören«, murmelte Hellmer, doch es war laut genug, dass jeder es verstehen konnte.
Als hätte sie es nicht gehört, fuhr Durant fort: »War seine Frau ihm hörig? Hat sie zu allem ja und amen gesagt? Auch im sexuellen Bereich?«
»Möglich, aber ich weiß es nicht!«, sagte Berger leicht genervt. »Sie hat ihn vergöttert, wie ich bereits betonte, aber ob sie ihm hörig war, kann ich nicht beantworten.«
»Wahrscheinlich, sonst hätte sie nicht so beharrlich geschwiegen. Wie ist Gernot an seine Opfer gekommen? Sind sie ihm zufällig über den Weg gelaufen, oder hat er sie ausgewählt? Ich habe darüber nichts in der Akte lesen können.«
»Das findet sich in den Verhörprotokollen, die wir leider nicht mehr haben. Aber ich entsinne mich, dass es sich niemals um Zufallsbegegnungen handelte, er hat seine Opfer ausgesucht.« Er dachte eine Weile nach, blätterte im Ordner, als hoffte er, dort noch etwas zu finden, und sagte schließlich: »Ich weiß aber, dass er zwei seiner Opfer in der Kirche gesehen und sie beobachtet hat …«
»Wie vielleicht die Uhlig und auch die Schweigert. Oder alle seine Opfer. Unser Mann ist womöglich ein Kirchgänger, und wer achtet in einer gutbesuchten Kirche sonntags schon auf einen Fremden? Kaum jemand nimmt Notiz, das weiß ich von meinem Vater. Was wissen Sie denn noch über das Opferprofil von damals?«
»Sie haben doch selber gesehen, dass nichts weiter in dieser Akte steht. Ich war nur zeitweise bei den Verhören dabei, aber nicht aktiv, ich war nur ein junger Kerl, der noch eine Menge zu lernen hatte. Punkt, aus«, antwortete er kurz angebunden.
»Ist Ihnen bekannt, warum die Ehe kinderlos blieb? Die waren immerhin acht Jahre verheiratet, und seine Frau war bei der Verhaftung gerade mal zweiunddreißig, er siebenunddreißig.«
»Was weiß ich«, antwortete Berger, der Mühe hatte, nicht die Beherrschung zu verlieren.
»Julia, bitte, der Chef hat recht, komm endlich auf den Punkt«, forderte Doris Seidel ihre Kollegin auf.
»Geduldet euch noch ein wenig. Ein paar Antworten brauche ich noch: Zu wem hatte Gernot nach seiner Verhaftung Kontakt?«
»Zu seinem Anwalt, anfangs noch zu seiner Frau, ansonsten fällt mir niemand ein. Vielleicht noch der eine oder andere Beamte in der JVA.«
»Okay. Also, wenn ich das recht verstanden habe, gab es weder Fotos noch detaillierte Berichte über die Morde in den Medien. Aber hier steht, dass von Gernots neun Opfern seinen eigenen Aussagen zufolge nur vier aus dem Frankfurter Raum stammten, die anderen aus einem Umkreis von etwa hundert Kilometern. Wie hat er sich an die Opfer rangemacht? Jedes Mal die gleiche Masche, dass er sich den Weg hat zeigen lassen?«
»Frau Durant, erstens sind nur drei Morde belegt, und diese drei Morde wurden an Personen aus dem Frankfurter Raum begangen. Die anderen sechs sind nicht belegt, auch wenn sehr viel dafür spricht, dass diese Personen von Gernot umgebracht wurden, dazu wusste er einfach zu viele Details aus dem Leben der Frauen. Außerdem, und das hab ich vorhin bereits erwähnt, war Gernot ein charismatischer Typ. Für ihn war es ein Leichtes, an seine Beute zu gelangen, weil ihm offenbar jeder arglos gegenübergetreten ist. Sein gesamtes Auftreten passte nicht zum Bild eines grausamen Serienkillers. Noch in den Siebzigern gab es nicht nur in der Öffentlichkeit das Klischee des Mörders, der entweder ein Außenseiter oder ein Asozialer oder ein von der Natur benachteiligter Mann war. Und allein schon aus diesem Grund waren diese Menschen zumindest potenzielle
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