Mörderische Verstrickungen
dann wieder erwärmen, das übliche Wetter im Januar. Nur selten sinkt die Temperatur für mehr als zwei Nächte unter den Gefrierpunkt.
Mitten am Vormittag, mitten in der Woche, und die Autobahn war das reinste Vergnügen. Nichts als die hügeligen Appalachen und die tiefen Einschnitte im Kalkstein, aus dem sie geformt waren. Das Panorama war teilweise atemberaubend, und ich stellte fest, wie selten ich bislang darauf geachtet hatte. Aber gewöhnlich fuhr ich natürlich mit Mary Alice.
Die Ausfahrt nach Springville lag oberhalb eines großen Farmteichs. Ein Schild wies den Weg und informierte: Angeln, 2 Dollar pro Tag. Bis jetzt hatte noch niemand die zwei Dollar bezahlt, der Teich, der schimmernd im Sonnenlicht lag, war verlassen. Ein paar Kühe standen jedoch auf der Weide, einige von ihnen grasten, andere hatten sich hingelegt, ein sicheres Zeichen dafür, dass es innerhalb weniger Stunden regnen würde.
Die Zufahrt nach Springville ähnelt derjenigen nach Steele: dieselben Eisenbahngleise, die Hauptstraße mit den Geschäften, die alten Häuser. Springville liegt jedoch weit näher an Birmingham und ist mittlerweile eine seiner bedeutendsten Trabantenstädte.
Ich warf einen Blick auf meine Uhr. Ich war fünf Minuten zu früh und wollte mich daher an einen der Tische in der Sonne setzen, um auf Betsy zu warten. Aber als ich parkte, sah ich sie bereits aus ihrem Auto steigen und in die Bäckerei gehen. Ihr leuchtend rotes Haar hatte sie |125| zu einem Zopf zusammengebunden, der ihr fast bis zur Taille reichte, und eine Sekunde lang sah ich dasselbe Haar über eine Kirchenbank fallen. Verdammt.
Die Bäckerei sah hübsch aus. Sie war in Blau und Weiß dekoriert, mit gestärkten Spitzenvorhängen und blauen Keramik-Holzschuhen, in denen drei nahezu echt wirkende weiße Tulpen steckten, auf jedem der Tische. Nur drei waren besetzt. Die Bäckerei schien das große Geschäft mit dem Ladenverkauf zu machen. An der Kasse war eine Schlange, und jeder der Wartenden hielt einen Beutel mit der Aufschrift OLDE HOLLAND BAKERY in der Hand. Es duftete herrlich.
Betsy saß bereits auf einem der zwei Stühle direkt hinter der Tür, die offensichtlich für wartende Gäste gedacht waren. Sie blickte auf und lächelte, als sie mich sah.
»Danke«, sagte sie, ganz als sei sie erleichtert über mein Erscheinen.
»Gern geschehen.« Die Antwort stimmte zwar nicht, aber sie reichte aus.
Betsy stand auf – nicht größer als meine eins fünfundfünfzig, aber wesentlich hübscher, als mir das am Vortag aufgefallen war. Obwohl ihre Augen ein wenig geschwollen waren, war ihr klares Haselnussbraun aufsehenerregend. Sie hatte die helle Haut, mit der einige Rothaarige gesegnet waren, und um ihre Nase herum waren ein paar Sommersprossen zu sehen.
»Wir müssen am Tresen bestellen«, sagte sie und zeigte auf eine Schultafel an der Wand, auf der die Tagesgerichte verzeichnet waren. »Sie haben heute Linsensuppe. Sie machen die beste auf der ganzen Welt.«
»Klingt gut.«
|126| Wir bestellten beide eine Schale Suppe und entschieden uns, ein Clubsandwich miteinander zu teilen. Während wir auf unser Essen warteten, setzten wir uns an einen Tisch am Fenster. Die Sonne schien immer noch über den Tisch, aber ein Blick auf den Himmel zeigte, dass sich die dunkle Wolkenwand näherte.
Wir schwiegen beide für einen Moment. Es war ziemliche laut in der Bäckerei, und ich war drauf und dran vorzuschlagen, dass wir uns an einen der Tische draußen setzen sollten. Solange die Sonne schien, würden wir da gut sitzen.
Aber bevor ich den Vorschlag äußern konnte, lehnte Betsy sich vor und sagte: »Ich möchte Ihnen von meiner Schwester erzählen.«
Ich nickte. Das hatte ich zwar nicht erwartet, aber wahrscheinlich war es ihr ein echtes Bedürfnis, über ihre Schwester zu reden.
»Susan war fünfzehn und ich achtzehn, als unsere Eltern in einem kleinen Flugzeug ums Leben kamen. Sie waren übers Wochenende mit einem anderen Ehepaar, dem das Flugzeug gehörte, nach Florida geflogen und in einen Gewittersturm geraten.« Betsy nahm den Salzstreuer in die Hand (ein rosafarbenes Schwein mit Löchern im Kopf) und studierte ihn, als wäre er irgendwie von Bedeutung. Sie seufzte, stellte ihn wieder ab und fuhr fort.
»Ich hatte gerade mit dem Universitätsstudium begonnen, und Susan zog zu Tante Pearl, der Schwester unseres Vaters. Sie war Witwe, hatte nie selbst Kinder gehabt, und sie und Susan entwickelten eine enge Beziehung.«
Allmählich
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