Mörderische Verstrickungen
Laura-Oma an die Tür kam und sagte: »Familie Lamont.«
Wir sprangen alle drei hoch und eilten ans Fenster. Die Jalousie wurde in dem Moment geöffnet, als ein strahlender Henry mit David Anthony auf dem Arm hereinkam. |118| Er küsste ihn und reichte ihn der Schwester, die ihn auf den Tisch vor uns legte.
Was soll ich sagen? Er war ganz einfach das hübscheste Baby, das ich je in meinem Leben gesehen hatte. Er hatte den Kopf voller schwarzer Haare und perfekte Gesichtszüge, nicht so verflacht wie die der meisten Neugeborenen. Anders als das kleine Mädchen, das kurz zuvor auf demselben Tisch gelegen hatte, blickte David Anthony ruhig umher.
Wir winkten ihm alle zu.
»Du Schatz.«
»Du Schnuckelchen.«
Fred stupste mich an. »Schau mal, Patricia Anne. Er sieht uns an.« Und dann: »Hey, du süßer Junge.«
Henry zeigte erst auf das Baby und dann auf sich, ganz so wie der andere Vater zuvor.
Wir nickten. Ja, David Anthony gehörte ganz offensichtlich ihm. Ja, er war erstaunlich. Ja, er, Henry, hatte ein Wunder vollbracht.
Die Augentropfen, die Windel, die Decke, die Mütze, winke, winke. Und wir umarmten einander weinend. Alle Freude, alle Hoffnung dieser Welt lag in dieser Januarnacht in diesem Zimmer.
Tränen rollten Schwesterherz über die Wangen. »Er sieht einfach aus wie Will Alec. Es ist unglaublich.«
Es wäre unglaublich gewesen, wenn es der Wahrheit entsprochen hätte. Will Alec war Ehemann Nummer eins. David Anthonys Großvater war Ehemann Nummer zwei, Philip Nachman. Aber ja, beide Männer waren hübsch gewesen.
Auf dem Heimweg, nachdem wir Debbie gesagt hatten, wie wundervoll das Baby war, versuchte ich herauszufinden, |119| welches Verwandtschaftsverhältnis David Anthony zu Haleys und Philips Baby haben würde, wenn sie (Daumen drücken) eins hätten. Debbie und Haley waren Cousinen ersten Grades auf unserer Seite; Debbie und Philip waren Cousins ersten Grades auf der Seite ihres Vaters. Cousins dritten Grades? Cousins zweifachen dritten Grades? Der Jetlag begann sich bemerkbar zu machen, und ich war eingeschlafen und sabberte, als Fred in die Einfahrt zu unserem Haus bog.
»Lass uns Haley anrufen«, sagte er, als wir hineingingen.
Ich warf einen Blick auf die Wanduhr. »Es ist fünf oder sechs Uhr früh dort drüben.«
»Weck sie mit guten Nachrichten auf.«
Aber sie war bereits wach.
»Wir wissen es schon«, rief sie aus. »Tante Schwesterherz hat schon angerufen. Sag Debbie und Henry, dass wir mit Champagner und Orangensaft auf das Baby anstoßen. Mehr Champagner als Orangensaft. Sieht er den Zwillingen ähnlich?«
»Er hat eine Menge schwarzes Haar und ist überhaupt nicht zerdrückt wie viele Babys.«
Wir redeten eine halbe Stunde. Dank sei Gott für das Telefon und Satelliten. Und Kreditkarten.
|120| 9
»Mrs Hollowell?«
»Ja?« Die Stimme war mir fremd.
»Die Mrs Hollowell, die gestern oben am Chandler Mountain war?«
Ich setzte meine Kaffeetasse so plötzlich ab, dass der Kaffee auf die Untertasse schwappte und Muffin vom Küchentisch sprang. Jemand hatte Virginias Leiche gefunden.
»Ja.« Ich hielt den Atem an.
»Mrs Hollowell, hier ist Betsy Mahall. Wir sind uns gestern an der ›Jesus ist unser Leben und unser Himmel danach‹-Kirche begegnet.«
Die junge Frau mit den Blumen. Die Schwester des ermordeten Mädchens.
»Betsy, erzählen Sie mir nicht, dass noch etwas passiert ist.«
»O nein, Ma’am. Habe ich Sie erschreckt? Das tut mir leid.«
»Ich dachte nur einen Moment lang, Sie könnten wegen der Frau meines Cousins anrufen. Sie ist nach wie vor verschwunden.«
»Das habe ich gehört.« Sie hielt inne. Im Hintergrund konnte ich ein Kind streiten hören. »Einen Moment bitte, Mrs Hollowell. Jamie, gib Ethan sein Krümelmonster zurück! Hol dir eins von deinen eigenen Spielsachen!« Pause. »Jetzt sofort. Ich meine es ernst.« Und dann: »Tut |121| mir leid, Mrs Hollowell. Sie wissen, dass irgendwas nicht stimmt, und zanken sich nur herum. Nein, es ist nichts Neues passiert, Gott sei Dank. Der Grund meines Anrufes ist, dass ich Sie fragen wollte, ob wir uns heute irgendwo treffen könnten. Da sind ein paar Dinge bezüglich meiner Schwester, die ich vergaß, Sie gestern zu fragen. Ein paar wichtige Dinge. Außerdem habe ich eine Information erhalten, die Ihnen hinsichtlich Ihrer Cousine vielleicht weiterhelfen könnte.«
»Eine Information in Bezug auf Virginia? Sie können mir das nicht am Telefon sagen?«
»Das ist eine lange Geschichte, Mrs Hollowell.
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