Mörderische Verstrickungen
aus Birmingham. Vor ein paar Jahren war sein Buch »Salvation on Sand Mountain«, das sich mit der Schlangensekte befasste, einer der drei Finalisten beim National Book Award gewesen. Alle hatten mir ganz begeistert davon erzählt, aber das Thema hatte mich nicht gereizt. Jetzt war das anders. Ich wollte wissen, wie es möglich war, dass sich Menschen wie Holden Crawford, sein Sohn Ethan und seine Schwiegertochter in etwas hatten hineinziehen lassen, was mir als eine bizarre religiöse Praktik erschien.
Das Buch war ausgeliehen.
»Sie haben es noch nicht gelesen?«, fragte mich die Bibliothekarin Edna Thomas. »Sie wissen gar nicht, was Ihnen da entgangen ist. Sie müssen es sich unbedingt kaufen, Patricia Anne.«
Das tat ich auch. Ich machte bei Alabama Booksmith halt und stieß auf dieselbe Reaktion.
»Sie haben das Buch noch nicht gelesen? Sie wissen nicht, was Ihnen entgangen ist.«
Ein paar Stunden später wusste ich es. Mir war eine Welt entgangen, von der ich nichts gewusst hatte. Ich hatte außerdem erfahren, wie es möglich war, in diese seltsame Welt hineingezogen zu werden. Eine Welt, in der man seinen Glauben zelebrierte und der Prüfung unterzog, indem man mit Schlangen herumhantierte und Strychnin trank. Ich war so fasziniert, dass ich nicht mal ans Telefon |156| ging, als es ein paarmal klingelte. Der Anrufbeantworter würde drangehen.
Wenn man von den Schlangen, mit denen man hantierte, nicht gebissen wurde, bewies dies, dass man stark war, dass man in Gottes Gunst stand.
Schaurig.
Als ich das Buch endlich niederlegte, wusste ich eins: Was ich für unmöglich gehalten hatte, nämlich dass Virginia Nelson, Mitglied der lutheranischen Kirche und des Country Club, in solch eine Sekte hineingezogen werden konnte, war nicht unmöglich. Wie Betsys Tante Pearl hatte sie vielleicht der religiöse Eifer davongetragen, hatte sie geglaubt, dass dies der Weg sei, Gott zu berühren, der Weg zur Erlösung.
Die Dunkelheit war angebrochen, und es war sehr kalt. Ich lief in die Küche und schaltete das Licht hinten an. Das Außenthermometer zeigte null Grad.
Ich zog eine Jacke an, ging hinaus und holte Woofer herein, um Gesellschaft zu haben. Als Fred nach Hause kam, umarmte ich ihn so fest und so lange, dass er ganz überrascht war. Mir war, als wäre ich lange, lange Zeit von zu Hause und von ihm weg gewesen. Und mehrmals in der Nacht wachte ich auf, lauschte seinem Atem und beobachtete die Schatten, die die Straßenlaternen an die Wand warfen.
Unnötig zu erwähnen, dass ich mit Kopfschmerzen aufwachte. Ich warf zwei Aspirin ein und blickte hinaus in eine Welt voller Licht. Alles war nach wie vor eisbedeckt, und eine helle Sonne reflektierte jedes einzelne Eiskristall. Schickte die Reflexe – ping – mitten in meine Augen.
|157| Ich stöhnte, kroch zurück ins Bett und zog mir die Steppdecke über den Kopf.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Fred. Ich konnte das Surren seines Elektrorasierers hören und wusste, dass er seiner morgendlichen Routine nachging und durchs Haus wanderte, während er sich rasierte.
»Kopfschmerzen.«
»Willst du Aspirin?«
»Hab schon welches genommen.« Ich fiel zurück in einen tiefen Schlaf.
Zwei Stunden später wachte ich auf und fühlte mich viel besser. Ein Blick durch das Fenster belohnte mich mit strahlendem Sonnenschein und schmelzendem Eis. Auch die Schmerzen waren weg.
Muffin lag ausgestreckt auf dem Küchentisch in der Sonne. Sie beantwortete meinen Gutenmorgengruß mit einem Gähnen.
»Faule Katze«, sagte ich.
Sie runzelte die Stirn. Wer war ich, um sie faul zu nennen? War ich nicht eben erst aus dem Bett gekrochen?
Ich warf einen Blick auf die Uhr. Fast zehn. Ich goss mir eine Tasse von dem Kaffee ein, den Fred gekocht hatte, ging ins Wohnzimmer und rief Luke im Blount County Medical Center an.
Er saß seit einer Stunde angezogen da und wartete auf mich. Wo ich denn bliebe.
»Ich bin um eins da«, sagte ich. Ich wollte mich nicht hetzen lassen.
»Aber ich habe denen gesagt, dass ich vor dem Mittagessen weg sein würde.«
»Um eins«, wiederholte ich. »Siehst du immer noch doppelt?«
|158| »Nur manchmal. Die meiste Zeit nicht. Ich muss hier aber raus. Ich habe einen Mann getroffen, der Virginia kennt und sagt, dass er sie oben in der Kirche gesehen hat.«
»Was meinst du damit, er hat sie da oben gesehen? Gehört er zu der Schlangensekte?«
»Ich weiß nicht. Er kam einfach herein und sagte, er habe meine Frau gesehen.«
»Woher
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