Mörderische Weihnachten
angeklebt, lag seit drei Tagen seine Waffe. Ein Stück hartes Schilfrohr, das er vorn so angespitzt hatte, daß es wie ein Messer wirkte. Man konnte damit einen Menschen töten. Er hörte die schweren Schritte des Wärters, und wenig später wurde die Tür geöffnet.
»Du kannst kommen, Adamic!«
»Okay.« Mühsam erhob sich der Mann. Er schaute auf die miesen grauen Zellenwände und trat hinaus auf den Gang. Mit vorgebeugten Schultern ging er in Richtung Besucherzimmer, passierte einige Sicherheitssperren und stand bald dem Mann gegenüber, der ihn vor gut zehn Jahren verteidigt hatte. Auch der Anwalt war älter geworden. Sein damals schon graues Haar zeigte jetzt eine schlohweiße Farbe. Die Augen blickten müde, um Mund und Augen hatten sich Falten gebildet. Die Männer starrten sich an. Auf der einen Seite der Anwalt im eleganten Kamelhaarmantel, auf der anderen der Gefangene in seiner blauen Sträflingskleidung.
»Wie geht es Ihnen, Mr. Adamic?«
Frank lachte. »Mister, das Wort kenne ich nicht mehr. Sagen Sie einfach Adamic, damit hat sich die Sache.«
»Okay.«
Sie setzten sich. »Ich bin vergessen worden, wie?« fragte Adamic.
»Ja. Der Weihnachtsmörder bringt heute keine Schlagzeilen mehr.«
»Das habe ich mir gedacht.«
»Wollen Sie denn wieder in die Schlagzeilen? Es hat keinen Sinn, schon jetzt eine Begnadigung einzureichen, das will ich Ihnen vorab sagen, Mr. Adamic.«
»Das weiß ich. Deshalb habe ich Sie auch nicht kommen lassen. Ich will etwas anderes von Ihnen wissen.«
»Ich höre.«
»Wie geht es meinem Sohn?«
Mit dieser Frage überraschte er den Mann. »Das kann ich Ihnen nicht sagen. Ich war auch nicht darauf vorbereitet.«
»Lebt er noch?«
»Bestimmt.«
»Können Sie es herausfinden?« Adamic schaute den Mann bittend an.
»Mir läge viel daran…«
»Wollen Sie wieder Kontakt aufnehmen?«
Adamic hob die Schultern. »Was heißt Kontakt aufnehmen? Ich möchte es versuchen.«
Der Anwalt nickte. »Das wäre vielleicht gar nicht so schlecht. Die Zeit heilt die meisten Wunden. Mittlerweile sind zehn Jahre vergangen. Gut, ich versuche es.« Der Mann erhob sich. »Sonst noch was?«
»Nein.«
»Kann ich Ihnen auch eine schriftliche Nachricht zukommen lassen?« fragte der Anwalt.
»Meinetwegen.«
»Gut, Mr. Adamic, ich werde sehen, was ich für Sie tun kann. Und halten Sie den Kopf hoch. Man wird Ihnen bestimmt zwei Jahre schenken, wie ich die Justiz kenne. Sie haben sich ja gut geführt, wie ich hörte.«
»Es war auch besser.«
»Wenn mal alle so einsichtig wären wie Sie.« Der Anwalt nahm seinen Hut und ging.
»Du verlogenes Schwein«, flüsterte Adamic, aber so leise, daß der Mann nichts davon hörte.
Er wurde wieder zurückgebracht. »War aber ein kurzes Gespräch«, wunderte sich der Wärter.
»Ja. Man hat sich nicht viel zu sagen.«
»Kommt er noch mal wieder?«
»Glaube nicht.«
In der Zelle legte sich der Mann auf das Bett und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Er sah auch nicht mehr so aus wie früher. Sein Haar war ebenfalls grau geworden.
Es lief relativ günstig, und er hoffte, daß ihm der Anwalt den Gefallen tat. Karriere schien er ja gemacht zu haben. Damals war er nicht so teuer gekleidet gewesen, aber auch er würde noch an die Reihe kommen, wie auch alle anderen, die ihn damals fertiggemacht hatten. Mörderische Weihnachten.
Er hatte sie eingeläutet, und es sollten nicht die letzten sein. In drei Wochen war es wieder soweit. Dann wollte er den verdammten Knast verlassen.
Die Tage vergingen.
Adamic arbeitete draußen im strömenden Regen. Die nasse Kälte drang selbst durch die dicke Anstaltskluft.
Jedesmal, wenn sie wieder in den Zellenblock zurückkehrten, wartete er auf Post.
Nichts kam.
Der Anwalt, dieser Hundesohn, schien ihn vergessen zu haben, und es war nur noch eine Woche bis zum Weihnachtsfest. Selbst im Knast hatte man einen Tannenbaum aufgestellt.
Unter den Gefangenen herrschte zu dieser Zeit eine gewisse Unruhe, weil zu Weihnachten auch Begnadigungen ausgesprochen wurden. Aus seiner Gruppe war diesmal keiner dabei. Es hatte sich auch kaum jemand Hoffnungen gemacht, vielleicht der Bankräuber, aber der mußte auch noch warten.
In der Nacht schlief Adamic kaum. Er rief jedesmal den Teufel an und bat den Höllenfürsten um Unterstützung. Dabei kniete er auf dem Zellenboden, vor sich eine brennende Kerze.
Adamic war in Einzelhaft. Mit ihm wollte niemand die Zelle teilen. Er flehte und flüsterte, rief immer wieder den Namen
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