Mörderische Weihnachten
Kugel steckte in seinem Oberschenkel. Die Wunde blutete kaum, mußte aber schmerzen, weil der Mann das Gesicht zu einer Grimasse verzogen hatte.
Zu zweit schafften ihn die Polizisten aus dem Haus. Das Schußgeräusch hatte die Nachbarn aufmerksam werden lassen. Zahlreiche Zeugen schauten zu, wie Frank Adamic abgeschleppt wurde.
»Ihr blöden Hundesöhne!« schrie er. »Glotzt nicht so dämlich, verdammt! Los, verzieht euch! Singt eure Lieder vor dem Weihnachtsbaum.« In der Gasse hallte sein Schimpfen doppelt so laut wider. Die Verhandlung gegen ihn fand im folgenden Jahr statt. Und dort sah Adamic noch einmal seinen Sohn. Die beiden saßen getrennt. Einer auf der Anklagebank, der andere dort, wo die Zeugen ihre Plätze bekommen hatten.
Adamic schaute immer zu Martin hin, der die Blicke seines Vaters nicht erwiderte.
Der Junge sah adrett aus. In einer Verhandlungspause erfuhr Adamic, daß sich Pflegeeltern um ihn kümmerten.
Frank sagte nichts dazu.
Nach drei Tagen wurde das Urteil gesprochen. Die Presse hatte Adamic als den Weihnachtsmörder hingestellt, der sich mit unbewegtem Gesicht den Spruch des Richters anhörte.
Zwanzig Jahre Zuchthaus! Auch Martin befand sich im Gerichtssaal. Er gab ebenfall einen Kommentar ab.
»Meine Mutter bekomme ich durch das Urteil nicht zurück«, kommentierte er altklug.
»Möchten Sie noch etwas sagen, Angeklagter?« fragte der Richter.
»Ja, Euer Ehren. Ich möchte meinem Sohn etwas sagen!«
»Erlaubt!«
Frank Adamic drehte sich um. Im Saal war es still geworden. Man hätte eine Stecknadel fallen hören können. »Hör zu, Martin. Auch wenn es so aussieht, als hättest du alles erreicht. Denke das nicht, mein Kleiner. Der Pakt, den wir mit ihm geschlossen haben, ist stärker. Und er währt ewig. Irgendwann wirst du dich daran erinnern. Vielleicht erst dann, wenn ich draußen bin. Dann hole ich dich…«
Martin Adamic wandte sich ab. Er spürte wieder die Hitze in seinem Gesicht und schlug die Hände vor die Augen.
Sein Vater hatte ja recht, so verdammt recht. Aber Martin hoffte, daß sein eigener Wille stärker war.
Als Frank Adamic abgeführt wurde, bedachte er ihn mit keinem einzigen Blick mehr…
{c}Der Fehler{/c}
Zehn Jahre später! Er hatte geflucht, getobt, gebüßt, aber nichts vergessen. Und er war ruhiger geworden in seiner Zelle, in die man ihn gesteckt hatte. Zehn lange Jahre!
Und noch einmal so viele sollten es werden, bis er die grauen Mauern hinter sich lassen konnte. Das konnte und wollte er nicht mehr aushalten. Er mußte raus aus diesem verfluchten Zuchthaus. Adamic gehörte zu den Gefangenen, die mit anderen Männern kaum Kontakt hatten. Am Anfang war es schlimm gewesen, da hatte er sich durchsetzen müssen und es auch geschafft. Man ging ihm aus dem Weg, weil er Ruhe haben wollte, um die Gespräche führen zu können. Dialoge mit dem Teufel!
Die meisten hatten sich an seinen Tick gewöhnt, auch die Wärter nahmen ihn nicht ernst, wenn er mit dem Satan redete. Oft so laut, daß es bis hinaus auf den Gang hallte, und nur er wußte, ob ihm der Höllenfürst auch Antwort gab. Wurde Adamic mal darauf angesprochen, hob der nur die Schultern oder spie dem Frager vor die Füße, je nach Laune.
Natürlich mußte er arbeiten. Die ersten sieben Jahre innerhalb des Komplexes, da hatte er Schrauben gezählt oder sich mit kleineren Reparaturen beschäftigt. Da er sich gut führte — von seinem Tick einmal abgesehen —, hatten die Verantwortlichen keine Bedenken, ihn für Außenarbeiten einzusetzen.
Auch dort wurde er von seinen Mitgefangenen gemieden. Die Männer mußten ein Stück Sumpf trockenlegen, weil in einigen Jahren hier eine Autobahn herlaufen sollte.
Es war eine Knochenarbeit. Im Sommer in glühender Hitze, im Winter bei beißender Kälte. Trotzdem war es besser, als in der Zelle Langeweile zu schieben.
Besuch hatte Frank Adamic in den zehn Jahren nur zweimal erhalten. Beide Male von seinem Anwalt, der hatte ihm auch nur erklärt, daß eine Berufung nichts bringen würde.
Um den dritten Besuch hatte er selbst gebeten. Da sonst niemand zu ihm kam, wurde der Antrag sofort genehmigt, und schon eine Woche später fuhren die Mitgefangenen ohne ihn in den Sumpf. Adamic sollte in seiner Zelle warten. Er saß auf dem Bett und rauchte. Noch einmal ließ er sich das durch den Kopf gehen, was er den Anwalt fragen wollte. In langen Nächten hatte er es auswendig gelernt, denn er brauchte ein Ziel, wenn er die Anstalt verließ.
Unter der Toilettenbrille
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