Mörderische Weihnachten
des Satans, damit sich dieser ihm offenbarte, aber der Teufel hielt sich zurück, er ließ ihn schmoren. Und wieder begann einer dieser scheußlichen Regentage, wo nicht nur die Laune der Wärter dem Nullpunkt zustrebte, auch die der Gefangenen, die arbeiten mußten.
Hin und wieder flammten Streitigkeiten auf, und die Wärter mußten hart durchgreifen.
Ein breitschultriger Mischling wurde schließlich in Ketten abgeführt. Von da an lief es besser.
Müde, ausgelaugt, kaputt und auch mürrisch kehrten die Gefangenen wieder zurück.
Und diesmal gehörte Adamic zu denen, die Post entgegennehmen konnten. Der Brief war natürlich geöffnet und kontrolliert worden, das störte den Mörder nicht. Was ein Anwalt schrieb, war sowieso unverfänglich genug. Er konnte es kaum erwarten, in die Zelle zu kommen. Wer bei diesem Wetter draußen arbeitete, durfte anschließend heiß duschen. Darauf verzichtete der Mann freiwillig. Er wollte nur seinen Brief lesen. Kaum in der Zelle, riß er ihn aus dem Kuvert und war enttäuscht, daß der Anwalt die Seite kaum vollgeschrieben hatte. Aber er hatte alle wichtigen Informationen zusammengefaßt. Einen Martin Adamic gab es noch in London. Er lebte in der Nähe von Soho, war jetzt über zwanzig, arbeitete in einer Schlosserei und lebte nicht mehr bei seinen Pflegeeltern. Er besaß inzwischen eine eigene Wohnung und natürlich auch einen Telefonanschluß.
Über Frank Adamics Gesicht huschte ein kaltes Grinsen. Mehr hatte er nicht wissen wollen. Mehrmals las er den Brief, prägte sich die Adresse ebenso ein wie die Telefonnummer und beschäftigte sich in den folgenden Stunden mit seinem Fluchtplan.
Am nächsten Tag schon würde er verschwinden, und er hoffte, daß das Wetter ebenso mies war wie in den Wochen zuvor…
***
Die Sterne oder vielmehr die Wolken standen günstig. Bereits in der Nacht hatte es angefangen zu regnen. Gegen Morgen war es sogar windig geworden, so daß die langen, grauen Schleier wie schiefe Bahnen über das Land trieben.
Alles versank in diesen Wassermassen. Normalerweise jagte man keinen Hund vor die Tür, aber die Gefangenen mußten raus. Das Signal war schon erklungen, als Frank Adamic seine Zelle verließ, die er noch mit einem letzten Blick bedachte. Es war so etwas wie ein Abschiednehmen. Wenn es nach ihm ging, würde er nicht mehr hierher zurückkehren. Heute mußte sich alles entscheiden. Die Vorzeichen standen günstig. Man hatte ihn schon seit Tagen dem Reparaturtrupp zugeteilt. Sie wurden immer dann losgeschickt, wenn irgend etwas defekt war, bei Wind und Wetter, aber das alles ließ sich ertragen. Wer im Reparaturtrupp arbeitete, der hatte es geschafft, hieß es unter den Gefangenen.
Sie gingen zu Fuß. Nur die Aufpasser fuhren. Sie saßen in den Geländewagen und brüteten vor sich hin. Und gerade auf einen dieser Wagen hatte es Adamic abgesehen.
Er ließ sich nichts anmerken. Wie immer trottete er hinter seinem Vordermann her, die Blicke stur auf dessen gebeugten Rücken gewandt. Die Männer sprachen kaum, wenn, dann kamen nur Flüche über ihre Lippen.
Der Regen peitschte ihnen ins Gesicht.
Der Marsch bis zur Arbeitsstelle dauerte gut eine halbe Stunde. Sie marschierten über die schlammigen Wege und auch quer durch das Gelände.
Schon bald tauchten die Umrisse der Bagger wie graue Riesen aus den Wasserschleiern auf. Daneben standen, gewaltig wirkend, zwei Baracken, in denen sich die Wärter aufhielten, wenn sie keinen Wachgang hatten.
Es war wie immer.
Die Kavalkade der Gefangenen stoppte an einem bestimmten Punkt. Zuerst sprangen die gefährlichen Bluthunde von den Wagen, dann folgten die Aufpasser. Eingeteilt brauchten die Gefangenen nicht mehr zu werden. Jeder wußte, was er zu tun hatte. Sie bekamen ihre Werkzeuge, meist Schaufeln und Hacken und begaben sich an ihre Arbeit, denn sie unterstützten die Bagger und räumten das weg, was die großen schaufelnden Mäuler liegengelassen hatten. Die Männer vom Reparaturtrupp blieben im Regen zurück. Es waren insgesamt sechs Leute.
Erst als die anderen verschwunden waren, wandte man sich an sie.
»Okay, Männer, ihr könnt jetzt in die Baracke gehen. Da steht ein kleiner Elektromotor, der muß gereinigt werden. Bis zum Mittag ist er fertig, verstanden?«
Die Gefangenen nickten nur. Minuten später standen sie im Trockenen. Gemütlich war es in der feuchten Bude trotzdem nicht. Ein Aufpasser blieb bei ihnen. Sie nannten ihn Tube, nach der Londoner U-Bahn. Er hatte vor seiner Zeit im
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