Mörderische Weihnachten
Regalen stehen hatte, fand ich etwas für Lady Sarah. Sie liebte ja Ketten in allen Längen und Ausführungen. Dabei brauchten sie nicht teuer zu sein, Hauptsache, sie hängte sich etwas um den Hals. Und eine solche Kette fand ich auch. Ein buntes Gemisch aus Perlen und Goldplättchen. Wie ich Lady Sarah einschätzte, würde ihr die Kette sicherlich gefallen. Ich zahlte den Preis bei der poppig angezogenen Kassiererin, deren Lilondes Kunsthaar noch von einer roten Schleife verziert wurde. Ihr Lippenstift schimmerte in der gleichen Farbe, während der Blusenstoff aussah, als wäre er in flüssiges Gold getaucht worden.
»Frohes Fest, Sir!« rief sie mir nach, bevor sie sich an den nächsten Kunden wandte, um ihm nach der Bezahlung dasselbe zu wünschen. Eigentlich hatte ich es ja nicht gewollt, aber da ich mich schon im Londoner Einkaufszentrum bewegte, trieb es mich auch in die Kaufhäuser. Ich landete bei Harrod's, wo ich vor Jahren einmal den Fall mit den teuflischen Puppen erlebt hatte.
Bei Harrod's hatte sich einiges verändert. Viel war umgebaut worden, besonders in den Weihnachtswochen, wo die Käufer mehr auf Geschenke fixiert waren.
Natürlich hatte man auch einen riesigen Tannenbaum aufgestellt und festlich geschmückt. Er glänzte und glitzerte in allen Farben. Ob Kugeln, Engel, Lametta, es war einfach alles vorhanden. Ebenso wie Süßigkeiten und Gebäck. Alles wippte an den Zweigen, die noch von einer künstlichen Schneeschicht teilweise bedeckt waren. Zusätzlich war der Baum noch mit Girlanden geschmückt worden.
Unter ihm standen, wie konnte es auch anders sein, zwei Weihnachtsmänner.
Weihnachtliche Musik durchwehte die gewaltigen Etagen, so daß sich die Kunden weiter in ihren Kaufrausch hineinsteigerten. Kleidung konnte ich Glenda nicht kaufen, die besorgte sie sich selbst, aber ich wußte, daß sie gern Musik hörte und auch ein bestimmtes Parfüm bevorzugte, das von einem französischen Modeschöpfer stammte. Danach hielt ich Ausschau.
Man hatte große Tische aufgestellt und sie mit Geschenken gefüllt, die Männer kauften, wenn sie nicht lange herumsuchen wollten. Ein Tisch war sehr schön dekoriert worden. Parfüms aller Marken und Preisklassen standen dort, und über ihnen schwebten zwei Engel mit ausgebreiteten Hügeln, die wohl auch so etwas wie den Duft symbolisieren sollten. Die Verkäuferin glich keinem Engel. Zwar war sie stark geschminkt, besaß künstliche Wimpern und angeklebte Fingernägel, aber sie machte einen geschafften Eindruck. Man hätte ihr einen Stuhl geben sollen, so hielt sie sich praktisch am Tisch fest, weil ihre Beine schwer geworden waren. Das Haar trug sie im Nacken lang, während die dunkle Pracht auf dem Kopf zu kurzen Strähnen hochgestellt worden war.
Neben ihr blieb ich stehen, und sie schaute mich mit einem gleichgültigen Blick an.
»Ich suche ein bestimmtes Parfüm«, sagte ich.
Sie hob die Schultern. »Hier auf dem Tisch ist fast alles vorhanden, Mister.«
»Da steht ein bißchen viel.«
»Kann ich auch nichts zu. Ich muß hier nur zusehen, daß niemand etwas stiehlt.«
Ich lächelte sie an. »Große Lust haben Sie nicht.«
»Stellen Sie sich mal hier den ganzen Tag hin. Da wird Ihnen auch die Lust vergehen.«
»Jeder hat eben seinen Job.«
»Sage ich auch«, erwiderte sie und wandte sich einer anderen Kundin zu, die jede Menge Kosmetikartikel mit sich schleppte. Ich suchte an der gegenüberliegenden Seite weiter. Um mich herum herrschten Trubel und Gedränge. Das Stimmengewirr wurde von einem spitzen Schrei übertönt. Ich wirbelte herum.
Eine Frau im mittleren Alter stand gekrümmt da und hatte ihre Finger in die Haare gekrallt. Sie trug einen weißen Thermomantel, das Gesicht war verzerrt, als hätte sie etwas Schreckliches gesehen, und aus ihrem Mund drang der Schrei wie bei einer Sirene.
Keiner ging zu ihr. Die übrigen Kunden hatten einen Kreis um sie gebildet und schauten sie aus sicherer Entfernung an. Ich sprengte den Kreis, packte die Schreiende an der Schulter und schüttelte sie durch. »Verdammt, hören Sie auf!«
Sie starrte mich an, als ob ich der Weihnachtsmann gewesen wäre, und klappte tatsächlich den Mund zu. »Alles wieder okay?« fragte ich.
»Nein, nein!« keuchte sie und krallte ihre Finger in den Ärmelstoff meines Mantels. »Nichts ist okay!«
»Und weshalb haben Sie so geschrien?«
»Weil ich ihn gesehen habe.«
»Wen?« fragte ich locker. »Den Weihnachtsmann?« Die Bemerkung rutschte mir so heraus, Umstehende
Weitere Kostenlose Bücher